Rückkehr nach Kenlyn
früher, als er noch der alte Miko Gorlin gewesen war; der feige Versager, der sich vor den Schlägen seines Vaters duckte. Nun war er ein anderer Mensch: Er hatte sich im Angesicht der Gefahr schützend vor Kapitän Naguun geworfen, damals, beim Angriff der Schatten auf die Dragulia , und dabei entdeckt, dass doch mehr in ihm steckte, als die Welt ihm eingestehen wollte. Oder er sich selbst.
Woher dieser Ausbruch von Tapferkeit gekommen war, hatte er nie ganz begriffen. Aber er war sich sicher, dass nicht alles davon aufgebraucht sein konnte und dass er es schaffen würde, dieses Mädchen anzusprechen, hier und jetzt, ohne vorher über die eigenen Füße zu stolpern oder sich die Zunge zu verknoten. (Auch wenn seine Handflächen glitschig waren vor Schweiß und sein Puls raste – und wieso waren seine Knie plötzlich so weich?)
Miko blickte zu Xeah, die nach wie vor mit der Käseauswahl beschäftigt war und dann wieder zu dem Mädchen, das immer noch nach der perfekten Honigmelone suchte. Aber wer wusste, wie lange noch? Das war seine Chance!
Miko kämpfte darum, seine Beine zum Gehen zu überreden. Er machte ein, zwei, drei Schritte in die Richtung des Mädchens – dann drehte er wieder um. Was, wenn sie das Gleiche tat wie all die anderen und über ihn und seine immer noch leierige Stimme lachte? Oder sich vor seinen Pickeln und der dürren Gestalt ekelte? Wenn sie sich über den dünnen Flaum amüsierte, der bei ihm als Bartwuchs durchging?
Aber was , wenn sie sich tatsächlich dazu herablässt, mit dir zu reden?, fragte eine Stimme in seinem Kopf. Wenn sie dich zur Abwechslung nicht abstoßend findet, sondern vielleicht sogar – nett? Du erfährst es nie, wenn du dich jetzt nicht in Bewegung setzt!
Die Stimme hatte recht! Miko holte tief Luft, wartete noch einen Moment – dann ging er weiter auf das Mädchen zu. (Er fragte sich dabei, ob man von außen sehen konnte, wie ihm das Herz fast den Brustkorb sprengte.)
Sie stand mit dem Rücken zu ihm. Miko stellte die Körbe ab, streckte einen zitternden Finger aus, dann tippte er ihr auf die Schulter. Sie drehte sich verdutzt um – und sah ihn, wie er ihr zulächelte.
Zumindest lief sie nicht davon. Das war doch ein gutes Zeichen ... oder?
»H-Hallo«, sagte Miko.
»Hallo«, sagte sie mit einem verwirrten Lächeln. Sie hatte ein kleines Muttermal am Kinn. Miko fand es anbetungswürdig.
»Du, äh, kaufst hier ein?« Idiot!, schalt er sich.
Sie schmunzelte. »Gut beobachtet.«
»Oh, bestens, dann haben wir nämlich schon was gemeinsam!«
»Und das wäre?«
»Ich, äh, kaufe auch hier ein – na ja, eigentlich kauft Xeah hier ein – die, äh, steht übrigens da drüben beim Käse – aber ich hab dich, äh, gesehen und ich dachte, ich sag einfach ... hallo?« Das war’s – du kannst dich jetzt erschießen!
Ein Stirnrunzeln. »Wie heißt du?«
Sie fragt nach deinem Namen! Schnell, sag was – irgendwas! »Äh, Miko!«
»Ich bin Sherli. Kenn ich dich irgendwoher, Ähmiko? Aus der Schule vielleicht?«
Es dauerte eine Weile – viel zu lange – bis Miko begriff, dass sie tatsächlich etwas von ihm wissen wollte! Verdammt, darauf war er nicht vorbereitet gewesen! »Ich, äh, geh nicht mehr zur Schule! Ich bin ... äh ...« – weiterweiterweiter! – »... Erster Maat auf der Korona . Das ist ein, äh, Drachenschiff! Du weißt schon ...«
»Ja!« Sie lachte. »Die großen Dinger mit den Flügeln. Ich glaub, ich hab schon mal eins gesehen.«
Lacht sie über mich oder hat sie einen Witz gemacht? Mist, was mach ich jetzt? Da er glaubte, dass letzteres zutraf, fing er einfach an zu lachen. Er lachte und lachte und lachte – viel zu lang und viel zu laut. Es klang sogar in seinen Ohren falsch. Die Leute drehten sich verwirrt zu ihm um. Und er sah, wie sich Sherlis Amüsement ganz schnell verflüchtigte und Befremdung Platz machte. Du verlierst sie!, erkannte er siedendheiß. Das ist nicht gut! Tu was! Zeig ihr, wie locker du bist! Jetzt!
»Entschuldige«, sagte er dann, mit etwas, das – hoffentlich! – als entspanntes Lächeln durchging. Dabei streckte er einen Arm nach dem Obststand aus, um sich darauf abzustützen. »Aber das war sehr lus–« Er sollte den Satz nie beenden: Seine schweißnasse Hand rutschte vom Stand ab; er verlor das Gleichgewicht, stürzte und riss dabei eine Auslage voller Kiwis mit, die sich vor seinen Füßen verteilten. Er wäre vor Scham am liebsten verpufft. Aber zumindest war das ein Zustand, den er kannte.
Er hörte
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