Rückkehr nach Kenlyn
hatte nichts gefunden: keinen Namen, keine Adresse, kein Gesicht.
»Wie kann das sein?«
Telios hatte mit den Achseln gezuckt. »Möglich, dass sie in irgendeinem Kuhdorf geboren wurde, in dem man das Wort ›Friedenswächter‹ noch nie gehört hat. So etwas kommt öfter vor, als uns lieb ist. Und du weißt ja, welche Schwierigkeiten Yanek damals hatte, dich wiederzufinden.«
»Es wäre auch zu einfach gewesen«, hatte Endriel gesagt und sich ihre Hoffnung nicht nehmen lassen.
Sie hatte keine Ahnung, wo Liyen geboren war oder wo sie gelebt hatte, bevor sie und Kai sich getroffen hatten. Sie wusste nicht mal, ob »Liyen« ihr wirklicher Name war. Nur eines wusste Endriel mit Sicherheit: dass Liyen und Kai sich zum ersten Mal in den Kristallgärten von Tian-Dshi begegnet waren. Kai hatte erzählt, dass er vor seiner schicksalhaften Reise nach Teriam dorthin zurückgekehrt war, in der Hoffnung, Liyen ein letztes Mal zu begegnen. Vielleicht würde eine ähnliche Hoffnung Liyen auch dorthin führen, vielleicht mehr als nur einmal?
Doch ihre vielen Besuche in Tian-Dshi, die sie zwischen den einzelnen Kurierflügen unternahmen, waren eine Reihe bitterer Enttäuschungen gewesen. Die Führer in den Gärten hatten den Namen Liyen Tela noch nie gehört. Und Endriel konnte ihnen nicht einmal das dazu gehörige Gesicht beschreiben.
Und so hatte ihre Zuversicht allmählich Risse bekommen.
Sie erinnerte sich daran, was Kai ihr und den anderen über Liyen berichtet hatte: dass sie gemeinsam abseits des Nexus-Netzwerks gereist waren, auf der Suche »nach einem Sinn hinter den Dingen.« Wenn Liyen diese Angewohnheit beibehalten hatte – und warum sollte sie das nicht? – dann würde sich Endriel nach ihr zu Tode suchen können. So blieb ihnen nur übrig, stichprobenartige Ausflüge an den Rand von Kenlyns Zivilisation zu unternehmen – und alles, was sie damit bislang erreicht hatten, war eine gepflegte Verschwendung von Zeit.
»Manchmal glaube ich, sie ist ein Gespenst«, sagte Endriel. Sie sah zu Nelen, die inzwischen auf ihrer Schulter saß. »Eigentlich wäre sie mir völlig egal, aber ... ich brauche sie, wie es aussieht.«
»Und du wirst sie nicht finden, wenn du jetzt aufgibst«, sagte Nelen gelassen. »Wir helfen dir, wo wir können. Der Admiral lässt doch auch nach ihr suchen, vielleicht kriegt er irgendwas raus.«
»Ja«, sagte Endriel, ohne Überzeugung. »Vielleicht.«
Während Miko den Tisch deckte, musste er ein weiteres Mal feststellen, was für eine komische Sache Selbstvertrauen war.
Da bemühte man sich, es in mühevoller Kleinarbeit wie eine Festung aufzubauen, und dann genügte ein einziges Wort oder eine winzige Geste, um es zum Einsturz zu bringen. Die Erinnerung an den Zwischenfall von vorhin klebte wie Teer an ihm. Er wusste, es würde Tage oder Wochen dauern, bis er ihn halbwegs vergessen konnte; bis er in der Masse der anderen Peinlichkeiten seines Lebens unterging.
Heute morgen hatte Xeah ihn mit in die Stadt genommen. Nun, da wieder Geld in der Kasse lag, gab es dringende Bankgeschäfte zu erledigen. Und außerdem musste sich jemand um den Einkauf kümmern.
Die große Markthalle von Olvan war voll von Lebewesen, die von Stand zu Stand zogen und sich die Auslagen von Schustern, Kleiderhändlern, Apothekern, Bäckern und Fleischern ansahen. Miko trug für Xeah die großen Körbe, während sie einzelne Punkte auf der Einkaufsliste abhakte. »Reis, Milch, Fleisch und Fisch für Keru, eine Schachtel Heuschrecken für Nelen«, murmelte die alte Draxyll mit gewohnt träger Stimme vor sich hin. »Käse. Wir brauchen noch Käse. Ah, da vorne.«
Sie trat an einen stark riechenden Stand und betrachtete die Auslagen, wobei besonders ein edler Stinker aus Baladu (zwei Jahre gereift) ihr Interesse weckte. Miko verzog die Nase und wandte sich ab.
Dabei entdeckte er das Mädchen am Obststand.
Es war vielleicht in seinem Alter, achtzehn oder jünger, und klein und zierlich. Während es kritisch die ausgelegten Honigmelonen musterte, schob es sich eine braune Haarsträhne hinter das Ohr. Es hatte eine niedliche Stupsnase mit Sommersprossen; Miko konnte nicht aufhören, es anzusehen, und als es den Obsthändler anlächelte, lächelte er unwillkürlich mit.
Im Laufe seines jungen Lebens hatte er die schmerzliche Erfahrung gemacht, dass hübsche Mädchen nicht mit ihm redeten. Stattdessen redeten sie über ihn, allerdings waren das Gespräche, die er lieber nicht mit anhören wollte.
Aber das war
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