Rückkehr nach Kenlyn
Spiegelbild im Obsidianschwarz der Brückenkuppel sehen.
Runter, du Idiot!
Kai warf sich zu Boden und hielt die Arme über den Kopf, als in der gleichen Sekunde das Drachenschiff über ihn hinweg schoss; nur einen Meter tiefer und es hätte ihn zerquetscht. Kai riss den Mund auf, um sein Trommelfell davor zu bewahren, auseinander gerissen zu werden. Ein Hitzeschwall wie aus einem Hochofen blies ihm ins Gesicht, als blaues Feuer über ihn hinweg raste, links und rechts an ihm vorbei. Dann schleuderte ihn die Wucht der Antriebe quer über das Dach; der Lärm der Schubdüsen schluckte alle Geräusche.
Sein Schädel knallte gegen etwas Steinhartes, ein weiß glühendes Feuerwerk schien hinter seinen Augen zu explodieren – und es war vorbei. Die Brüstung am Südende des Dachs hatte ihn davor bewahrt, zweihundert Stockwerke in die Tiefe zu fallen.
Ein schrilles Lied sang in seinen Ohren. Schmerz. Qualm und Staub brannten in Kais Augen, während er im stinkenden, schwarzen Nebel die sich entfernenden Antriebsflammen wahrnahm.
Er blinzelte heftig – es tat weh – und bekam noch mit, wie die Maschine, in dunklen Rauch gehüllt, einen Teil der gegenüberliegenden Brüstung mit sich riss, unaufhaltsam wie ein Komet.
Er zog sich hoch, bunte Punkte tanzten vor seinen Augen. Der Rauch nahm ihm fast die Sicht, doch er konnte seine letzte Hoffnung einfach davonfliegen sehen, über die anderen, kleineren Türme hinweg.
Nein! Kais Beine brachen weg, er sank zusammen, unfähig, den Blick von dem immer kleiner werdenden Schiff zu nehmen. Es verlor immer mehr an Höhe: Alle paar Sekunden erbebte die Maschine und sank ein kleines bisschen weiter dem Erdboden entgegen – auch wenn sie sich noch hoch genug halten konnte, um mit keinem von Shannashais Gebäuden zu kollidieren. Nur ein paar Herzschläge später hatte das Schiff die Stadt hinter sich gelassen und wurde zu einer schwarzen Rauchfahne und drei winzigen blauen Lichtern, die über die Ödnis im Landesinneren glitten. Es schien auf die namenlose Stadt im Norden zuzuhalten. Selbst wenn es ihm gelang, die Wüste zu überqueren, würde es spätestens dort an den Türmen zerschellen.
Aber vielleicht würde es Überlebende geben! Vielleicht konnten sie das Schiff wieder flott kriegen!
Kai hielt inne, hin und hergerissen zwischen den Möglichkeiten und Gefahren. Die Chance war gering, dass Endriel ausgerechnet heute oder morgen über Shannashai auftauchen würde. Selbst wenn, sie würde bestimmt auf die Absturzstelle aufmerksam werden und eins und eins zusammenzählen.
Trotz der Kälte schien sein Körper zu brennen. Adrenalin ließ Kai alle Schürfwunden und Prellungen vergessen. Er hastete die Treppe hinunter, durch den Korridor, in sein Lager, wo er mit zitternden Fingern seine Ausrüstung zusammen suchte.
Er schwang sich den langen Mantel über, den er vor zwei Wochen erst gefunden hatte und der aus einem seltsamen, perfekt glatten Material bestand, das auf Kenlyn unbekannt war. Das Kleidungsstück war ihm viel zu groß, er musste die Ärmel umkrempeln, um seine Hände benutzen zu können. Er griff sich einen löchrigen Rucksack, legte eine Schutzbrille an, deren linkes Glas leicht gesplittert war, und nahm einen Schal als Mundschutz mit.
Neben seinem selbstgezimmerten Regal bewahrte er mehrere Flaschen aus rostfreiem Stahl auf; sie waren mit dem brackig schmeckenden Wasser gefüllt, das er aus den halbwegs funktionierenden Leitungen dieses Turms gezapft hatte (ohne zu wissen, wie lange die Zisterne des Gebäudes noch reichen würde). Vier davon nahm er mit. Ebenso Vorräte, die für drei Tage reichen würden – vielleicht länger, wenn er sich einschränkte – und eine Lichtkugel gegen die Dunkelheit und um gesehen zu werden.
Zuletzt hinterließ er eine Nachricht, mit einem angekohlten Holzstück an die Wand geschrieben: Bin in der Stadt im Norden. Komme bald zurück. Kai.
Er schloss die Tür zu seiner Zuflucht hinter sich und verriegelte sie. Dann begann er den langen Abstieg, Tausende von Stufen hinab, vorbei an verlassenen Korridoren, und nutzlosen Türen zu ebenso nutzlosen Aufzügen, verfolgt vom Echo seiner eigenen, schnellen Schritte.
Das Schiff – während der ganzen Zeit dachte er an das Schiff. Die Aufregung hatte ihn davon abgehalten nachzudenken: Was konnte der Maschine zugestoßen sein? Und – viel wichtiger – woher kam sie? Von Kenlyn?
Natürlich hatte er alle seine Hoffnung darauf gesetzt, dass es Endriel früher oder später gelang, mit Yu
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