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Rückkehr nach Kenlyn

Rückkehr nach Kenlyn

Titel: Rückkehr nach Kenlyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dane Rahlmeyer
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vorstellen, dass ich nicht auch nur den Hauch einer Ahnung habe, wieso!«
    Endriel lächelte wissend. »Dann komm mit. Wir haben uns eine Menge zu erzählen.«

9. Sternäuglein
    »›All mein Gold hast du genommen, Freibeuter‹, hauchte sie mit bebenden Lippen. ›Doch der größte Schatz von allen, den du mir geraubt, ist mein Herz!‹«
    – aus »Schwingen der Liebe« von Seldor Karus
    Die Gondel glitt vor ihren Augen vorbei; das einzige Geräusch, das sie begleitete, war das leise Klatschen und Sprudeln, welches ertönte, wenn der Gondoliere das Ruder in das schwarze Wasser des Kanals eintauchen ließ.
    Liyen stand neben Endriel, die Arme auf den weißen Granit der Brüstung gestützt. Ihr gedankenverlorener Blick folgte der Gondel auf ihrem Weg. Sie hatte den Rucksack abgenommen und neben sich gestellt; ihre Wangen und Ohren waren rot vor Kälte.
    Endriel war es nicht möglich, sich von Liyens Profil loszureißen; sie betrachtete die markante Nase und die deutliche Mulde darunter, die vollen, blassrosa Lippen. Nun, im besseren Licht, erkannte sie, dass ihre Augen graublau waren – nun, mehr grau als blau. Manchmal, im richtigen Licht und dem passenden Winkel, wirkten sie wie dunkles Silber. Auf ihrer linken Wange war ein kleiner Leberfleck zu sehen, über den sich Endriel freute, weil er sie so unvollkommen machte, so menschlich . Doch viel mehr freute sie sich über ihr Gefühl der Überlegenheit; dass sie mehr über Liyen wusste, als diese über sie.
    Sei trotzdem vorsichtig , mahnte sie sich. Denn in Wirklichkeit weißt du gar nichts über sie.
    Sie sah über ihre Schulter: Die Promenade hinter ihnen war verlassen. Wind spielte mit Laub und liegengebliebenem Papier. Dieser Teil der Stadt schien zu schlafen, dennoch hielt Endriel Ausschau nach Augen, die sie beobachteten; Schatten zwischen den Schatten.
    »Also«, begann Liyen nach einigen Minuten des Schweigens. »Dein Name ist Endriel Naguun, und obwohl wir uns noch nie begegnet sind, hast du sechs Monate lang nach mir gesucht – angefangen hier, in Tian-Dshi, als ob du genau wüsstest, dass ich alle paar Wochen herkomme. Soweit hab ich alles verstanden. Was ich allerdings nicht verstanden habe«, sie sah Endriel an, ernst, fordernd, »ist: wieso? «
    Endriel hielt ihrem Blick stand und überlegte, wo sie beginnen sollte. Möglich, dass Liyen gefährlich war – genau deswegen hatte sie sich auch davor gehütet, sie mit aufs Schiff zu nehmen – aber irgendetwas musste sie ihr schließlich sagen.
    »Kai hat mich zu dir geschickt.« Das stimmte nicht ganz, aber mit ein paar Umwegen kam es schon hin.
    »Ah.« Liyen lächelte bitter, als wären alle Fragen geklärt. »Ich verstehe. Kai.« Sie hatte den Blick von Endriel gelöst und sah hinauf zu den Sternen. Der Atem verließ ihren Mund als blasses Wölkchen.
    »Ja«, sagte Endriel, um Zeit zu gewinnen. »Kai.« Sie hatte sechs Monate gehabt, sich zu überlegen, was sie Liyen verraten konnte, wie viel sie wissen durfte. Sie war sich sicher, dass sie ihr von Yu Nan erzählen konnte – die Schatten wussten schließlich von dem Letzten der Sha Yang. Was sie wahrscheinlich nicht wussten, war, dass Kai bei der Explosion in Xida-Ma nicht den Tod gefunden hatte, sondern mit seinem Meister auf den Saphirstern gelangt war. Andererseits: Kai war für den Kult niemals wichtig gewesen. Nur das Artefakt, das er getragen hatte.
    »Und?«, fragte Liyen. »Hat er dem alten Sha Yang seinen letzten Wunsch erfüllt und ihn nach Te’Ra kutschiert? Aber da du die Schiene mittlerweile trägst, nehm ich mal an, die geflügelte Mumie hat einen anderen edlen Recken für ihre Mission gefunden. Ah, er hat dir also davon erzählt.«
    »Ich – Endriel fühlte sich überrumpelt. Das gefiel ihr nicht. »Ja. Ja, das hat er«, sagte sie dann.
    Liyen nickte, wenig überrascht. Dann öffnete sie die Lippen, um eine Frage zu stellen, vor deren Antwort sie sich offensichtlich fürchtete. Schließlich überwand sie sich und setzte die Worte so vorsichtig wie Schritte über Glas: »Lebt er noch? Nicht der Sha Yang – der ist mir völlig egal. Ich meine ...«
    »Ja«, sagte Endriel, noch bevor sie entschieden hatte, ob dies klug war oder nicht. »Er lebt.« Zumindest hoffe ich das.
    Liyen atmete geräuschvoll aus. »Gut«, sagte sie. »Das ist ... gut.« Sie lachte kurz und hart. »Ich weiß nicht mehr, wie oft ich ihm den Tod gewünscht habe. Trotzdem bin ich immer wieder hierher gekommen. Auf der Suche nach ihm.«
    »Er hat auch nach dir

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