Rückkehr nach Kenlyn
hin!« Miko war sichtlich aufgeregt. »Gar kein Problem!«
Die dicke Skria zeigte freudig die Zähne. »Das hatte ich gehofft, junger Mann! Einem unserer Mitarbeiter geriet nämlich Ihr Flugblatt in die Hände, und wir fanden die Preise natürlich sehr verlockend.« Ihr Lächeln wurde breiter. »Zumal wir dem Piloten des Frachtschiffs schon einen Vorschuss gezahlt hatten.«
»Ich bin sicher, dass wir Ihnen helfen können«, sagte Xeah.
Nachdem die Geschäftsbedingungen ausgehandelt waren und der Vertrag unterzeichnet, versprach Udrai von den Keem-Tylar, die Fracht mit einer Levitationsplattform anzuliefern. Xeah und die anderen kehrten zu Keru auf die Brücke zurück. Er hatte das Gespräch von dort oben mitangehört. Falls er sich über den neuen Auftrag freute, zeigte sein versteinertes Löwengesicht nichts davon.
»Welche Laus ist dir denn jetzt schon wieder über die Leber gelaufen?«, wollte Nelen wissen.
»Bist du mit dem Vertrag nicht einverstanden?«, fragte Xeah. »Ich weiß, ich bin nicht so gut wie Endriel im Verhandeln, aber sie zahlt uns immerhin viertausendfünfhundert Gonn. Das tilgt zwar nicht unsere Schulden, aber es ist zumindest ein Anfang.«
Keru verschränkte die Arme. »Ich weigere mich nur zu glauben, dass wir solches Glück haben.«
»Wieso nicht?« Miko lächelte. »Das Glück ist mit den Dummen – sagt man doch so, oder?«
»Sprich nur für dich, Junge«, brummte Keru. Er blickte zu den Lichtern der Stadt hinter dem Landeplatz und seinen Schiffen. »Wenn die Dinge zu gut laufen, solltest du lieber auf der Hut sein.«
Tian-Dshi lag an einem kleinen Kratersee, mit dichten Nadelwäldern im Westen und einem sichelförmigen Gebirge, dessen Namen Endriel vergessen hatte, im Osten. Sie war eine der ältesten Siedlungen auf Kenlyn; die meisten ihrer Gründer waren Menschen gewesen, deren Fachwerkhäuser mit roten und braunen Spitzdächern das Stadtbild prägten. Von Laternen erleuchtete Promenaden führten an dem Kanal vorbei, der Tian-Dshi in zwei gleich große Hälften teilte und von bunt bemalten Gondeln befahren wurde. Die restlichen Straßen waren einladend breit; es gab viele Alleen aus mittlerweile kahlen Eichen, sowie mit Glas überdachte Passagen, die Zuflucht vor dem rauen Wetter dieser Provinz boten. Qualm aus einer Legion Schornsteine ließ die Luft nach Rauch schmecken.
Doch bei aller Beschaulichkeit hätte die Welt Tian-Dshi wahrscheinlich längst vergessen, wären die Gärten nicht gewesen, die zahlreiche Touristen durch den städtischen Nexus anzogen – und vor allem deren Geld.
Die Landbarke hatte Endriel an einem großen Platz in der Innenstadt abgesetzt, der von Häuserreihen mit schattigen Arkaden begrenzt wurde und gute zwanzig Meter vom Westufer des Kanals entfernt lag.
Es hatte mittlerweile aufgehört zu schneien, und trotz der späten Stunde waren noch überraschend viele Leute unterwegs, immerhin war morgen der letzte Tag der Woche und somit ein Feiertag, auf den sich die Tian-Dshiner anscheinend jetzt schon einstimmten.
Weißmanteluniformen leuchteten im warmen Schein des nahen Freudenfeuers; darum waren kleine Stände aufgebaut, welche die frierenden Passanten mit gegrilltem Fleisch, gebackenen Heuschrecken oder Glühwein versorgten. Eine Gruppe vermummter Draxyll stand um einen pechschwarzen Kessel, in dem würziger Eintopf köchelte. Der Duft ließ Endriel das Wasser im Munde zusammen laufen und lenkte sie einen Moment von ihren herumwirbelnden Gedanken ab. Sie fand einen Imbisstand, aus dem eine alte Menschenfrau heiße Maronen verkaufte. Sie war so dick in Mantel, Schal und Mütze eingepackt, dass Endriel von ihr nur die rote Nase und die winzigen Äuglein erkannte.
»Wieviel darfst denn sein, Kindchen?«
»Eine Tüte bitte«, sagte Endriel abwesend. Sie blickte kurz zu dem Trio von Nexus-Portalen in der Mitte des Platzes, die wie magische Fenster fremde Straßen im Abendlicht oder in nächtlicher Dunkelheit zeigten.
Um zur Korona zu gelangen, musste sie die halbe Stadt zu Fuß durchqueren. Dort erwartete sie Kerus obligatorisches »Ich hab’s dir ja gesagt!« Sie hasste es, wenn er Recht hatte.
»He, Kindchen, hast du nicht gehört?«, krächzte die alte Frau und hielt ihr eine Papiertüte hin. »Zwei Gonn!«
»Oh.« Endriel schüttelte ihre Gedanken ab. »Natürlich.« Sie kramte eine Münze aus der Tasche. Als sie den Arm ausstreckte, um die Frau zu bezahlen, rutschte ihr Ärmelsaum zurück und offenbarte den juwelenbesetzten Handrückenschutz
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