Rückkehr nach Kenlyn
der Armschiene. Endriel sah die neugierigen Augen der Maronenhändlerin, bezahlte rasch und nahm die heiße Tüte an sich. »Danke ...«
Als sie sich zum Gehen umwandte, stieß sie fast gegen einen Menschen, der sich hinter ihr angestellt hatte: Er
trug einen dicken Mantel, dessen pelzverbrämte Kapuze das Gesicht fast völlig verbarg, und einen dicken Rucksack um die Schultern. Endriel entschuldigte sich knapp und machte, dass sie weiterkam.
Sie folgte der Straße zum Westteil der Stadt. Die Maronen waren noch zu heiß, um gegessen zu werden, aber sie wärmten ihre Hände.
Natürlich wusste sie, dass sie verfolgt wurde.
Sie drehte den Kopf im Gehen leicht zur Seite und sah aus den Augenwinkeln den Menschen im Kapuzenmantel, der ihr mit mehreren Metern Abstand nachging. Das Licht der Laternen reichte nicht aus, um sein Gesicht unter der Kapuze zu erkennen.
Endriel verzog die Mundwinkel. Sie hatte so ihre Erfahrung mit geheimnisvollen Kapuzengestalten – und dem mulmigen Gefühl, das diese in ihr auslösten. Möglicherweise litt sie nur unter Verfolgungswahn; ein Überbleibsel der Hetzjagd quer über den Planeten, ein halbes Jahr zuvor.
Trotzdem blieb ihr die Kapuzengestalt dicht auf den Fersen. Endriel beschleunigte ihren Schritt – und ihr Verfolger tat es ihr nach.
Unauffälliges Beschatten musst du wirklich noch üben, Freundchen. Endriel verstaute die Maronen in ihrer Tasche und lockerte ihre Finger, bereitete sich vor.
Ein paar Meter vor ihr teilte eine schmale Seitenstraße die Häuserfront. Das Laternenlicht reichte dort nicht hinein, alle Fensterläden waren geschlossen. Endriel bog ab und tauchte ein in die Schatten, wobei sie sich fragte, ob das nicht ein Fehler sein könnte; sie wusste genau, was das letzte Mal geschehen war, als sie sich in eine Gasse wie diese gezwängt hatte. Dunkelheit hüllte sie ein. Das einzige Licht kam von den Sternen in der tintenblauen Nacht und aus den Fensterritzen, als sie sich nach wenigen Schritten in den nächsten Türeingang presste. Mit angehaltenem Atem lauschte Endriel auf die leisen Schritte des anderen. Sie kamen näher.
Ein Schatten erschien an der zwielichtigen Lücke zwischen den Häusermauern; ihr Verfolger steckte seinen Kopf in die Gasse, tat weitere Schritte in das Dunkel ... hatte Endriels Versteck fast passiert ...
Überraschung!
Seine Reflexe waren gut, aber Endriels waren besser: Sie sprang vor, packte seinen Arm und verdrehte ihm diesen auf der Rückseite des Rucksacks. Ein Ächzen ertönte, aber da hatte Endriel schon seinen anderen Arm ergriffen und verbog ihn in gleicher Weise.
»Kann ich dir irgendwie helfen?«, fragte sie, während sich der Kapuzenmann wehrte. Dass er einen Kopf größer war als sie, machte ihr keine Schwierigkeiten.
»Ja, für den Anfang könntest du mich loslassen!«, antwortete eine Stimme; dunkel, aber unverkennbar die Stimme einer jungen Frau. »Und danach kannst du mir erklären, woher du diese Armschiene hast!«
Endriel blinzelte verwirrt. Dann traf sie der Blitz der Erkenntnis. Sie drehte ihren Fang um; das Gesicht blieb immer noch von Kapuze und Schwärze der Seitenstraße verborgen.
»Nimm die Kapuze runter!« Endriel schlug das Herz bis zum Hals.
»Ist ja gut!«, sagte die Stimme und kam dem Befehl nach.
Im Zwielicht der Gasse zeigte sich eine junge Frau. Kupferrotes Haar fiel ihr lang und glatt bis weit über die Schultern. Ihr Gesicht hatte hohe Wagenknochen; es war blass wie Alabaster und zeigte einen Anflug von Hochmut – oder war es nur gesundes Selbstbewusstsein? Endriel ließ sie los und stieß sie etwas weiter in die Gasse hinein.
Misstrauische Augen musterten Endriel, leicht geschwungene Brauen waren durch ein Stirnrunzeln verzogen. Es war ein seltsames Gesicht: In einem Moment wirkte es unscheinbar, unauffällig und leicht zu vergessen, und dann wieder auf aparte Art schön, sodass es schwer war, woanders hinzusehen. »Zufrieden? Vielleicht kannst du mir dann endlich meine Frage beantworten.« Ihr Timbre war tief wie der Klang schwerer Glocken, doch ruhig und beherrscht.
Es gab keinen Zweifel mehr. »Hallo, Liyen«, sagte Endriel. »Schön, dich endlich kennen zu lernen.«
Liyens Augen verengten sich. »Woher ...?«
Endriel lachte, die Last von zwei Planeten fiel ihr von den Schultern. »Du kannst dir nicht vorstellen, was ich alles unternommen habe, um dich zu finden.«
Liyen Tela verschränkte die Arme, bemüht, ihre eigene Verwirrung zu überspielen. »Und du kannst dir nicht
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