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Rückkehr nach Kenlyn

Rückkehr nach Kenlyn

Titel: Rückkehr nach Kenlyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dane Rahlmeyer
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dann wirklich ehren, wenn man weiß, dass es endet.«
    »Aber was danach kommt, weiß keiner. Auch nicht die Prophetin.«
    »Nein«, sagte Xeah. »Ich kann dir nur sagen, was sie uns gelehrt hat. Möchtest du es hören?«
    Nelen nickte stumm und lauschte den Worten der Heilerin.
    »Lange bevor sie Prophetin genannt wurde, zu einer Zeit, als sie kaum älter war als du, hatte Xal-Nama ihre Eltern im Krieg verloren. Von Trauer und Verzweiflung angetrieben, ging sie hinaus in die Wüste von Arkabassk, mit dem festen Willen, dort zu sterben.
    Nachdem sie drei Tage durch die Einöde gewandert war, in der Gesellschaft von Skorpionen und Geiern, ohne einen Tropfen Wasser, trat sie in den Schatten eines Felsens, um dort Schutz vor der Sonne zu suchen.« Xeah hörte die eigenen Worte, als kämen sie aus dem Mund einer Fremden. Nach all den Jahrzehnten waren sie plötzlich nur noch eine Geschichte ...
    Nelen runzelte die Stirn. »Ich dachte, sie wollte sterben?«
    »Das glaubte sie nur.« Die Fremde fuhr fort, zu erzählen. »Bis ans Ende ihrer Kräfte erschöpft, fiel sie in einen langen Schlaf. Und während sie schlief, erfuhr sie die erste der Drei Epiphanien. Sie hörte die Stimme des Kosmos und ihr wurde offenbart, dass nichts in diesem Universum verloren geht, auch nicht die Seele. Sie verlässt den Körper und die stoffliche Welt nur für gewisse Zeit. Bis sie zurückkehrt, in einen neuen Körper, auf der Suche nach Verstehen.« Eine Geschichte. Nur eine Geschichte. Xal-Nama, steh mir bei! »Die Seele ... die Seele ist wie Regen, Nelen.«
    »Nass und kalt?«
    »Nein. Regen fällt auf die Erde und bringt Leben. Und auch, wenn er verdunstet, verschwindet er nicht, sondern steigt wieder in den Himmel auf, um den Kreislauf von neuem zu beginnen. Nichts geht verloren, Nelen.«
    »Und wenn Xal-Nama sich geirrt hat? Wenn sie in der Wüste einen Sonnenstich gekriegt hat und alles nur Einbildung war? Was, wenn man stirbt und das war’s?«
    Und die Fremde sagte: »Das glaube ich nicht, Nelen.«
    »Aber du weißt es nicht, oder?« Nelens violette Augen leuchteten verzweifelt.. »In hundertvierundzwanzig Jahren – hast du da nie Zweifel gehabt?«
    »Oft«, gestand Xeah. So oft ... »Aber es gibt keinen Grund, dich vor der Nacht zu fürchten, wenn du weißt, dass die Sonne bald darauf wieder aufgeht.« Sie schloss die Augen. Bitte vergib mir, Nelen!
    Das Kind ließ die Worte auf sich wirken. Dann, ganz zaghaft, ganz langsam, erschien ein Lächeln auf Nelens Lippen, und sie sah zu der Draxyll auf. »Ich wünschte, ich wäre so stark wie du, Xeah.«
    Xeah spürte, wie sich ihr die Kehle zuschnürte. Sie wusste nicht, woher sie die Kraft nahm, das Lächeln zu erwidern. »Ich bin vielleicht nicht so stark, wie du glaubst, Nelen.« Sie schluckte; ihre Zunge schien am Gaumen fest zu kleben. »Aber es freut mich, dass ich dich wieder aufmuntern konnte.«
    Wenn ich es nur geschafft hätte, ohne dich zu belügen ...
    Endriel sah zu der Uhr auf ihrem Schreibtisch: Der neue Tag war bereits in der zweiten Stunde. Die Bullaugen ihres Quartiers zeigten nichts als Nacht und Schnee; der Anblick der vorbei rieselnden Flocken wirkte einlullend. Doch trotz ihrer Erschöpfung und bleiernen Gliedmaßen war an Schlaf nicht zu denken.
    »Was ist mit den Namen seiner Eltern?« Liyen hockte im Schneidersitz auf dem Teppich. »Hast du es damit schon probiert?«
    »Gleich als erstes«, sagte Endriel, die ihr gegenüber an der Bettkante lehnte, ein Kissen in ihrem Rücken. Hältst du mich für völlig dämlich, Rotschopf? Ihre Arme ruhten auf ihren angewinkelten Knien, wobei ihre linke Hand die Kristalle der Armschiene berührte. Im gedämpften Glühen der Lichtkugeln erschienen die Edelsteine wie billiges Glas. Sie schüttelte den Kopf, um ihre Müdigkeit abzuwerfen.
    Sie hatten schon tausend Worte und Wortkombinationen ausprobiert und allmählich fühlte sich ihr Gehirn an wie eine matschige Melone. Trotzdem durfte sie nicht einschlafen; nicht, solange sie mit Liyen allein in einem Raum war. Nicht, bevor sie das verfluchte Passwort geknackt hatte!
    »Was ist mit Siradad, seiner Heimatstadt?«
    »Auch nichts.«
    Liyen klopfte nachdenklich mit dem Finger ans Kinn. Sie wirkte nicht viel wacher als Endriel, aber auch sie war nicht bereit aufzugeben. »Buchenstraße vierzehn. Dort hat er mit seinen Eltern gewohnt, bevor sie starben.«
    Endriel versuchte es. »Fehlanzeige«, sagte sie und kämpfte gegen den Drang, das verfluchte Artefakt gegen die Wand zu

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