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Rückkehr nach Killybegs

Rückkehr nach Killybegs

Titel: Rückkehr nach Killybegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sorj Chalandon
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Hilfe in dieser Hölle.
    Wir schafften es nicht mehr bis zur Fabrik O’Neill mit ihrem riesigen Keller. Wir blieben da, bis der Krieg nachließ. Bis die Flugzeuge abdrehten und hinter den schwarzen Bergen verschwanden. Dann gingen wir durch den Schutt zurück. Unsere Straße war heil geblieben. Doch gleich dahinter brannten Häuser. Der gesamte Norden der Stadt war zermalmt.
    »Die Protestanten haben gekriegt, was sie verdienen!«, knurrte ein Typ, der den rot-schwarzen Himmel über der York Street betrachtete.
    »Glaubst du, die Jerrys sind besser?«, fragte eine Nachbarin.
    Der Typ starrte sie zornig an.
    »Was schlecht ist für die Brits, ist gut für uns!«
    Es war vier Uhr. Alles stank beißend nach Rauch. Mit Hilfe der Jungfrau Maria brachte Mama ihre Kleinen zu Bett. Sie sprach mit ihr, dankte ihr leise. Das Gesicht meiner Mutter. Erschreckend verweint, rotzbefleckt, speichelverschmiert. Die Haare hingen ihr in die Augen. Sie flehte zur Jungfrau Maria. Sie dürfe ihren Blick nicht mehr von unserer Familie wenden. Sie müsse immer da sein, immer. Ja? Versprochen? Versprich es mir, Maria! Versprich es mir!
    Lawrence nahm seine zitternde Schwester bei den Schultern und barg sie an seiner Brust.Am Morgen ging ich mit Séanna und meinem Onkel zum ersten Mal in meinem Leben durch Belfast. Mit der Stille war es vorbei, die Stadt lag im Chaos. Überall klirrte Glas, kreischte beiseitegestoßener Stahl, knirschten übereinanderliegende Trümmer. Zwischen den Blocks stolperten wir über Haufen von Ziegelsteinen und Holz, das aus Dachstühlen gerissen worden war. Bretter hingen zwischen Strommasten und den Oberleitungen der Straßenbahn und versperrten die Straßen. Überall Staub nach dem Drama. Weißer und grauer Rauch, Brandnester unter dem Schutt. Tiefe, mit schmutzigem Wasser gefüllte Bombenkrater auf leeren Grundstücken. Vor uns ein Wagen, halb von der Straße verschlungen. Menschen irrten durch die Stadt mit schwarzen Händen, rußigen Gesichtern, Hosen und Mänteln voller Asche. Andere standen an Kreuzungen, jeder für sich allein, ohne etwas zu sagen, mit verheertem Blick. Kaum Frauen. Klappernde Pferdehufe, ein Handkarren. Einige holperten auf Fahrrädern durch die Löcher in den Bürgersteigen. Vor einem Haus ohne Fassade standen Studenten mit Schaufeln in der Hand. Vier von ihnen, im Laborkittel, hoben einen Verwundeten auf.
    Und dann, ein paar Meter weiter, sah ich meine erste Leiche. Die Trage stand auf dem Bürgersteig, ein Arm ragte unter der Decke hervor. Es war der Arm einer Frau, ihr Nachthemd war mit der Haut verschweißt. Séanna hielt mir die Augen zu. Ich wehrte mich.
    »Lass ihn doch schauen!«, sagte mein Onkel.
    Ich stieß meinen Bruder weg. Und schaute. Ein Frauenarm mit manikürten Händen, vom Ellbogen bis zum Handgelenk hing die Haut herunter wie ein abgerissener Ärmel.Wir gingen ganz nah vorbei. Die Umrisse eines Kopfes unter dem Stoff, die Brust – und dann nichts mehr. Keine Beine. Ab Taillenhöhe lag die Decke flach auf. Ein Zeitungsjunge verkaufte den »Belfast Telegraph« auf der Straße. Hunderte Tote, tausend Verletzte!, schrie er. Ich hatte einen Arm gesehen. Und nicht geweint. Und getan, was alle Vorübergehenden taten: mir mit Zeige- und Mittelfinger an die Stirn getippt, dann an die Brust und an die linke und die rechte Schulter. Im Namen des Vaters und aller anderen. Ich hatte beschlossen, kein Kind mehr zu sein.
    Jennymount Street, ein Mann saß auf einem Holzstuhl und spielte Klavier. Das Instrument war vor der Feuersbrunst gerettet und aus dem Haus gezogen worden, jetzt stand es in seiner Hülle aus Asche und Splittern auf der Straße. Ein paar Kinder hatten sich genähert. Und ihre Mütter. Und Soldaten.
    »Ich bin schuldig, schuldig, dich zu lieben und von dir zu träumen …«
    Das Lied kannte ich. Ich hatte es oft im irischen Radio gehört. »Guilty«, eine Liebesgeschichte.
    Der Sänger zog Grimassen. Warf Blicke. Imitierte Al Bowlly, den Liebling aller Frauen von Killybegs.
    »Schade, dass er kein Ire ist«, hatte meine Mutter einmal gesagt.
    »Gott sei Dank«, hatte mein Vater erwidert. Und am Senderknopf des Radios auf dem Tresen des »Mullin’s« gedreht. Es war ein Spiel zwischen ihnen. Er wäre gern zum Sängerwettstreit gegen den Engländer angetreten. Reibeisenrau gegen honigsüß.
    »Kastratenstimme«, ätzte Patraig Meehan.
    Er hatte unrecht und wusste es. Aber nichts Britisches durfte an unsere Ohren dringen. Weder Befehl noch Lied.
    Am 17. April, zwei

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