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Rückkehr nach Killybegs

Rückkehr nach Killybegs

Titel: Rückkehr nach Killybegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sorj Chalandon
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zu schämen.
    Die Gefangenen hatten Karton zu Röhren gerollt, die sie in den Spalt zwischen Tür und Boden steckten. Zur festgesetzten Zeit, gleich nach dem Essen, pissten wir alle hinein und setzten den Flur unter Urin.
    »Sie werden uns niemals brechen!«, sagte mein Kamerad.
    Besuche und Briefe waren verboten, Hofgang auch. Wir waren Tag und Nacht eingesperrt. Wir hatten jeglichen Zeitvertreib aufgegeben. Wir sprachen wenig. Wir hielten stundenlang die Lider gesenkt. Oft scheuten wir davor zurück, dem Blick des anderen zu begegnen.
    »Wenn wir hier rauskommen, können wir das keinem erzählen«, sagte Aidan einmal.
    »Das wissen doch alle draußen«, erwiderte ich.
    Er schüttelte den Kopf.
    »Wissen, Tyrone? Mein Gott, was wissen sie denn? Keiner versteht, was wir hier erleben! Scheiße ist für sie nur ein Wort, Tyrone! Kein Stoff ! Nicht die Sauerei, die uns durch die Finger rinnt!«
    Eines Morgens stürmten die Wärter in unsere Zelle und beschimpften uns. Polizisten mit Helmen begleiteten sie, rannten durch den Flur und hauten mit ihren Schlagstöcken gegen die Wände. Wir waren aufgestanden, nachdem wir dasGeschrei der anderen Häftlinge gehört hatten. Standen Rücken an Rücken, Nacken an Nacken, die Arme ineinander verhakt, die geballten Fäuste auf der Brust. Brüllten für unser Leben, gegen die Angst. Zitternd vor Zorn. Bildeten einen einzigen Körper, den sie mit ihren Hieben zerstörten.
    Sie schlugen mich zu Boden, rissen mir die Decken vom Leib und schleiften mich an den Beinen in den Flur. Die Schlagstockhecke. Von ihren Schilden geschützt, rächten sie sich an den verfluchten Iren mit ihren Decken, ihrer Scheiße, ihren Beschimpfungen, ihrer Verachtung. Schlugen auf diese nackten Männer ein, auf Köpfe, Beine, Rücken, erhobene Hände. Brandmarkten uns. Drückten uns ihren Stempel auf.
    Ich wurde an Bart und Haaren zu den Duschräumen geschleppt. Wehrte mich schreiend. Berauscht von den Schreien der anderen, spürte ich keine Schmerzen, gar nichts mehr. Erst glaubte ich, sie wollten uns töten. Es war das Grauen. Zu dritt drückten sie mich auf den Boden, die Arme auf den Rücken gedreht, ihre Hände um meinen Hals. Ich wehrte mich kratzend und spuckend. Dann hoben sie mich auf wie einen Sack und schmissen mich in eine Badewanne mit eiskaltem Wasser. Sie wollten mich ertränken. Ich strampelte mit Armen und Beinen. Bekam einen Kinnhaken. Fiel zurück, mein Kopf knallte gegen die Wand. Dann begannen sie mich zu säubern. Ein Jahr Widerstand wegzuputzen. Einer striegelte mich mit einer harten Bürste, Rücken und Arme. Rieb mich ab wie einen störrischen Gaul. Als müsste er eine Toilettenschüssel putzen. Schnaufte mit offenem Mund und drohte meinem Vater, meiner Mutter, allen Schweinen meiner Art.
    »Das ist für Agnes Wallace, du Schwein! Sagt dir das nichts, Agnes Wallace?«, brüllte er.
    Doch ich überschrie ihn.
    »Und William Wright? Auch nicht? IRA-Dreckstück!«
    Er striegelte, er kratzte. Fixierte meine Hände mit der Bürste auf dem Wannenrand und riss mir die Nägel ab.
    »William McCully! John Commungs!«, bellte er in mein Ohr.
    Hämmerte mir den Rhythmus mit der Bürstenrückseite ein.
    »Robert Hamilton! John Milliken!«
    Milliken. Daran erinnerte ich mich. Ein Leitender Aufseher der Gefängnisverwaltung, der auf dem Heimweg von der IRA erschossen worden war.
    Mein Gott! Er rächte seine Toten.
    »Thomas Fenton, du Sau! Desmond Irvine, du Mörder!«
    Der zweite Aufseher löste ihn ab. Bearbeitete meinen Schädel mit einer stumpfen Schere. Riss mir die Haare aus. Schnippelte, rupfte.
    »Mickey Cassidy! Gerald Melville!«
    »James Connolly! Patrick Pearse! Eamonn Ceannt!«, gab ich zur Antwort. Ich brüllte mir die Seele aus dem Leib. Blut um Blut, Zorn um Zorn, ihre Opfer gegen meine.
    Die Schere nahm ein Stück Ohr mit.
    »Albert Miles!«
    »Tom Williams!«
    »Nazi!«, kläffte der Aufseher mit der Bürste. »Dreckiger Nazi!«
    Ich hatte Blut in den Augen. Der dritte Aufseher würgte mich. Legte seinen Unterarm um meinen Hals und drückte zu. Ich bekam keine Luft mehr. Mein Mund stand offen, die Zunge hing heraus, ich kriegte die Kiefer nicht mehr zusammen.Auf dem tätowierten Arm vor meinen Augen durchbohrte der Union Jack mit seinem Schaft das irische Banner.
    »Ihr habt Danny Finley ermordet!«
    Sie drückten meinen Kopf unter Wasser. Und hielten mich fest: eine Hand auf meinem Schädel, eine im Nacken, zwei Arme um die Beine, ein Schuh im Kreuz. Damit ich erstickte.
    Auf

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