Rückkehr nach Killybegs
war Bobby der Anführer der IRA. Zwei Wärter hatten ihn links und rechts am Arm gepackt und schleppten ihn rücksichtslos in seine Zelle zurück.
»Schau nicht hin!«
Ich schloss die Augen. Ich hatte nicht viel von ihm gesehen, er war halb von seiner Decke verhüllt. Hinter meinen geschlossenen Lidern bewahrte ich seine weiße Haut und die Male von den Schlägen. Die Arme herabgesunken, die Beine weich. Die nackten Füße schleiften über die Fliesen. Der Kopf pendelte. Eine Seele im rauen Leichentuch.
In der Zelle traf mich ein Schock. Der Boden war feucht, alles stank nach Desinfektionsmittel, Ammoniak, Chlor, eine Mischung aus Leichenhalle, Abort und Krankenhaus. Sie hatten die Wände gereinigt. Nur noch Schatten unserer Spuren waren zu sehen. Decken und Matratzen waren nass. Aidan hockte in seiner Ecke, eine feuchte Decke um die Hüfte und über den Schultern. Die Haare auf einer Seite kürzer und eine große kahle Stelle vorn. Er rieb sich das Knie. Ich ging zu ihm hin. Von seiner Seite aus sah man das milchige Dachfenster draußen. Es regnete. Mir tat alles weh. Die Haut, der Kopf. Mein Blut pulsierte. Hinten im Kiefer waren zwei Zähne rausgebrochen. Meine Zunge war eine einzige Wunde. Aidan hatte ein Auge geschlossen. Und ich den Mund offen. Wir kämpften nicht gegen das Schweigen. Wir warteten auf die Nacht, stumm aneinandergepresst.
»Tiocfaidh ar là! – Unser Tag wird kommen!«
Geschrei auf dem Flur. Der Letzte kam wieder in seine Zelle zurück. Ich war mit dem Rücken zur Wand eingenickt.Schlug die Augen auf. Stumme Frage von Aidan. Er lächelte im Dunkeln. Die Aufseher hatten das Licht noch nicht angeschaltet. Er stand auf. Ging zur Tür, in seine kleine Ecke unter dem Kruzifix. Ich stand auch auf. Er schiss auf den Boden, ich in meine Hände. Und dann begannen wir unsere Zelle wieder auszumalen.
*
Als ich am 7. Januar 1981 Long Kesh verließ, umarmte ich Aidan. Drückte ihn an mich wie Jack. Unsere Bärte, unsere wirren Haare, unsere verdreckten Decken, unser Stolz. Bobby Sands organisierte gerade einen Hungerstreik, damit wir unseren Status als politische Häftlinge wiedererlangten. Von Zelle zu Zelle stellten wir unsere Forderungen auf. Fünf lächerliche Forderungen: das Recht, Zivilkleidung zu tragen, sich frei zu versammeln und nicht für das Gefängnis arbeiten zu müssen. Wir wollten Besuch bekommen, einen Brief und ein Päckchen pro Woche. Und die Straferlasse, die wegen unseres Widerstands gestrichen worden waren.
Ich flehte Aidan an, sich nicht auf die Liste der Freiwilligen für das Martyrium zu setzen. Er war neunzehn und hatte eine zweijährige Tochter. Er war zu knapp fünf Jahren verurteilt worden und käme eines Tages wieder raus. Dann könnte er für sie sorgen.
Wir wussten, dass der Hungerstreik tödlich enden konnte.
Im Vorjahr, im Oktober 1980, hatten fünf Gefangene zweieinhalb Monate gehungert. Im Gefängnis von Armagh verweigerten drei Frauen das Essen. London spielte auf Zeit.Während der Verhandlungen um das Ende der Bewegung versprachen die Briten, die Gefängnisregeln zu ändern. Der Hungerstreik wurde abgebrochen. Mary und die beiden Maireads waren bereit, wieder Nahrung zu sich zu nehmen. Auch Tom, Séan, Leo, Tommy und Raymond. Und Brendan, IRA-Offizier und Knastchef vor Bobby Sands. Einen Monat später widerrief Humphrey Atkins, Staatssekretär für Nordirland, sein Versprechen. Die republikanischen Gefangenen blieben gewöhnliche Verbrecher.
Bobby hatte den Abbruch des ersten Hungerstreiks akzeptiert, es war an ihm, den zweiten anzuführen. Zu seiner Entschlossenheit kam der Schmerz über den Betrug. Er machte den Anfang, am 1. März 1981, andere folgten, einer pro Woche, Lebende sollten die Toten ersetzen.
Aber nicht Aidan. Er nicht. Nicht mein Jack. Ich weiß nicht, warum ich ihn das versprechen ließ. Hier, innerhalb der Mauern, hatte ich keine Befehlsgewalt. Durch Stacheldraht und Wachttürme war ich vom Offizier zum einfachen Soldaten geworden. Nichts und niemand könnte Bobby dazu bringen, seinen Hungerstreik zu beenden. Weder der Rat der irisch-republikanischen Armee, noch unsere Anführer, noch unsere Priester, noch die Gebete der Frauen in unseren Straßen, noch seine Schwester, seine Mutter oder die Tränen seines siebenjährigen Sohnes Gerald. Und ich bat diesen Jungen, Aidan Phelan, den Tischler aus Strabane, am Leben zu bleiben. Flehte ihn an, es für mich zu tun.
»Du musst weiterleben«, sagte ich.
Er hat es mir als Sohn versprochen. Und
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