Rückkehr nach Killybegs
Wort gehalten.
13
Am 8. Januar 1981 um vier Uhr morgens fielen drei Saracen-Panzer der Armee, zwei Landrover der britischen Polizei und ein Dutzend Soldaten in die Dholpur Lane ein. Neun Stunden nach meiner Entlassung kamen sie mich holen. Ich schlief, Sheila weckte mich. Sie brachen unsere Haustür mit einem Rammbock auf. Ich lief zur Treppe, im Schlafanzug, mit bloßen Füßen.
»Tyrone Meehan?«
Das war keine Frage. Das war ein Befehl. Der Soldat stand am Fuß der Treppe, den Gewehrkolben an der Wange. Ich nickte, die Hände erhoben wie für eine Durchsuchung. Ein Cop packte mich an den Haaren, ein anderer im Nacken. Die Tür war zerborsten und aus den Angeln gerissen.
»Er ist gestern erst rausgekommen!«, schrie Sheila. »Lasst ihn! Um Himmels willen! Er kommt gerade aus dem Knast!«
Vollkommen zerschunden, mit verrenkten Armen, das Kinn auf der Brust, landete ich auf der Straße. Der graue Panzer stand mit weit aufgerissenen Türen vor dem Haus. Kaum zehn Schritte waren es von meiner Schwelle zu dem vergitterten Stahlkoloss. Die Dholpur Lane stand wieder auf. Unter einem Hagel von Schreien, Steinen und Flaschen zog sich der Konvoi aus dem Viertel zurück. Ich lag auf demBoden des Panzers, die Hände auf dem Rücken gefesselt. Ein Cop zog mir eine schwarze Plastiktüte über den Kopf. Ich bekam die Panik. Ich dachte, sie wollten mich ersticken. Drei Polizisten drückten ihre Stiefel in meinen Nacken, meine Beine und den Rücken. Ich sah Aidan vor mir, die Zelle, den schmierigen Boden, die Wände mit den Exkrementen. Ich wollte sterben. Ich wollte nicht zurück ins Gefängnis.
Ein Offizier kniete sich neben mich hin, den Mund an meinem Ohr. Er stank nach Kanalisation.
»Na, Paddy! Wie war die Freiheit? Bisschen lang vielleicht, was? Wann bist du denn rausgekommen? Vor zehn, zwölf Stunden?«
Ich gab keine Antwort.
Seit wir 1941 mit Mama und Onkel Lawrence die Grenze überquert hatten, wusste ich, wann ich mich etwas trauen konnte und wann ich besser den Kopf einzog. Als mein Bruder Séanna einmal von einer Patrouille bedroht wurde, hielt er sich die Hände vors Gesicht und schnitt Grimassen wie ein Bauer, der den Stock seines Herrn fürchtet. Die Soldaten lachten. Séanna hatte einen Revolver und zwei Granaten bei sich.
»Der Feind unterschätzt uns, das ist seine Schwäche«, sagte er.
Wenn er Briten begegnete, spielte er oft den Blöden. Hinkte stark, verzog die Lippen, schob das Kinn vor und riss die Augen auf, dass sein Gesicht den äffischen Iren-Karikaturen in der englischen Presse glich. Er machte das für mich, sah mich dabei aus den Augenwinkeln an. Und immer gab es einen Soldaten, der den anderen zuraunte: »Ha! Der ist perfekt!«Es ging nicht zum Verhörzentrum von Castlereagh. Dafür war die Fahrt zu lang. Auch nicht zurück nach Long Kesh. Wir fuhren nicht über die Autobahn, sondern durch kurvige Straßen. Meine rechte Wange wurde immer wieder gegen den Boden gequetscht. Kein Geschoss, weder Backstein noch Erdscholle, traf den Panzer. Und der beschleunigte auch nicht abrupt, um Schwärme feindseliger Kinder abzuhängen. Kein Zweifel: Wir befanden uns auf protestantischem Gebiet.
Ich stieg blind aus dem Landrover aus, die Plastiktüte noch über dem Gesicht. Hände stützten mich, stießen mich nicht. Männer- und Frauenstimmen. Eine Tür und noch eine. Kein Gittertor, kein schnappendes Schloss, kein klirrender Schlüssel – ein Flur mit freien Menschen. Der geschlossene Klang eines kleinen Raums. Das kannte ich von meiner Zelle. Ein Stuhl wurde mir gegen die Waden geschoben. Eine Hand berührte meine Schulter. Heizungswärme. Ich setzte mich.
Als sie meine Handgelenke befreiten und mir die Tüte abnahmen, ließ ich die Lider noch eine Weile halb zu. Das Neonlicht war unangenehm. An den Wänden abgeblätterte Krankenhausfarbe, ein Plakat von Hitchcocks Film »Die Vögel«. Das Fenster war vergittert. Dahinter unbekannte Gebäude. Regen pladderte an die Scheiben.
»Tee?«
Ich saß an einem großen Tisch, sie waren zu dritt. Alle in Zivil, keine Uniform. Ich ging auf Abstand. Dachte zunächst an Loyalisten. Aber sie sprachen mit englischem Akzent.
»Kaffee vielleicht?«
Der mich das gefragt hatte, zog seinen Anorak aus, ohne mich aus den Augen zu lassen. Er hatte sehr rote Haare undeinen buschigen Schnauzbart. Sein linkes Auge saß tief in der Höhle. Der zweite war sehr schmächtig. Der dritte weißhaarig. Er sah aus dem Fenster. Beobachtete mein Spiegelbild im Glas. Unsere Blicke
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