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Rückkehr nach Killybegs

Rückkehr nach Killybegs

Titel: Rückkehr nach Killybegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sorj Chalandon
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wie Sand.
    »Mein Gott«, sagte ich.
    Ich verschränkte die Hände im Nacken, die Ellbogen erhoben, die Unterarme gegen die Ohren gedrückt, die Augen geschlossen. Senkte den Kopf. Mit offenem Mund und schmerzendem Kiefer. Mir blieb die Luft weg. Ich hörte mein Herz klopfen. Und war wieder in der Dholpur Lane, in den Gasschwaden.
    »Danny hat nicht gelitten. Er war fast sofort tot«, sagte der Cop.
    Unsere Straße. Die Barrikade. Seine aufgerissenen Augen. Seine Verblüffung.
    »Deine erste Kugel hat ihn ganz nah am Herzen getroffen. Die anderen hat man ihm aus der Hüfte und dem Schenkel geholt.«
    »Sie wissen gar nichts«, murmelte ich.
    »Alles, Tyrone, wir wissen alles. Unsere Leute waren in der Menge. Zwei waren dabei, als du geschossen hast. Sie haben als Zeugen ausgesagt«, versicherte der Spion.
    »Gestolpert und geschossen«, fügte der Cop hinzu.
    »Ja, gestolpert und geschossen. Es war ein Unfall, Tyrone. Wir wissen es.«
    Meine Hand zitterte wie im Gefängnis.
    »Noch bevor wir die Waffe gefunden haben, wussten wir es, Meehan.«
    »Und dann war da dieses Lied.«
    Der Agent wandte sich dem Spion der Special Branch zu.
    »Wie ging das Lied noch mal, Will? Weißt du es noch?«
    Der andere nickte.
    »Und wie ich mich erinnere!«
    Dann begann er leise zu singen:
    Danny ist für Irland gefallen
    Er wurde feige ermordet
    Doch sein Freund im Zorn
    Schickte mit seiner alten Thompson
    Die Mörder zur Hölle.
    »›Sein Freund im Zorn‹, sehr schön gesagt!«, bemerkte der Agent lächelnd.
    »Ich will dir nicht verschweigen, dass wir sehr gelacht haben, als diese Ballade durch die Pubs ging«, sagte der Cop.
    Der Agent steckte die Hände in die Taschen.
    »Stimmt. Wir haben uns auch gewundert, als Finleys Witwe dem Mörder ihres Mannes bei seiner Beerdigung applaudierte. Aber weißt du was? Wir haben beschlossen, nicht daran zu rühren. Den Dingen ihren Lauf zu lassen. Es ist wichtig, den Glauben nicht anzutasten.«
    »So hast du den idealen Märtyrer geschaffen, und wir haben dir dabei geholfen, der perfekte Held zu werden«, fügte der Cop hinzu.
    Sie lachten. Ich ließ die Lider geschlossen.
    »Pass gut auf, Tyrone.«
    Das war die feste Stimme des MI5-Agenten.
    »Schau mich an.«
    Ich öffnete die Augen wieder. Im Neonlicht tanzten bunte Flecken.
    Der Agent hockte jetzt neben mir.
    »Entweder du gehst hier raus und erzählst alles der IRA, oder du entscheidest dich wie wir, diese hübsche Geschichte auf sich beruhen zu lassen.«
    Der Cop hielt mir ein Glas Wasser hin. Ich musste ständig auf das Filmplakat starren. Eine realistische Zeichnung: Eine Frau schützt schreiend ihren Kopf vor den Vögeln, die sie angreifen. »Das könnte der erschreckendste Film sein, den ich je gedreht habe«, wird Hitchcock auf dem Plakat zitiert. Erschreckend. Ich fühlte nichts. Nicht Kälte, nicht Wärme noch Angst. Ich war innerlich leer. Ich trank. Das Wasser machte ein Loch in meinen Bauch. Der Regen trommelte ans Fenster. Ich sah auf meinen Schlafanzug, meine nackten Füße auf ihrem Boden. Ich war niemand mehr. Alle sprachen jetzt gleichzeitig.
    »Zehn Jahre später zu gestehen ist verdammt gefährlich, nicht?«
    »Besser, man lässt den Märtyrer und den Helden in Frieden, meinst du nicht auch?«
    Ich bat um ein zweites Glas Wasser.
    »Was wollen Sie?«, fragte ich mit trockener Kehle und brennenden Lippen.
    »Dich schützen, Tyrone.«
    »Die Antwort, verdammt!«
    »Dass du uns hilfst.«
    »Niemals!«
    »Denk an Sheila, Tyrone. Eine gute Frau. Und so schwach, mitten im Krieg. Ich bin mir nicht sicher, dass es ihr im Gefängnis von Armagh gefallen würde.«
    »Und Jack? Dein Sohn, Meehan? Eine Unterschrift von dir reicht, und er sitzt seine Strafe auf dem Kontinent ab.«
    »Kannst du dir vorstellen, was ihm sonst blühen würde, Tyrone? Einer von der IRA, ein Scheißkathole, ein Briten-Mörder, der in einer schottischen Zelle voller Mörder hockt?«
    »Und du selber? Willst du wirklich in die Scheiße zurück?«
    Der Agent erhob sich. Und gab den zwei anderen einen Wink.
    Erst verließ der Cop den Raum, dann der Spion. Der Agent stand mit mir allein vor der offenen Tür. Er sprach leise. Mit sanfter Stimme.
    »Die IRA erzählt überall, dass sie Frieden will. Und wir wollen ihn auch. Also schaffen wir diesen Frieden gemeinsam. Du und wir, Tyrone.«
    »Ich bin kein Verräter.«
    »Wer redet denn von Verrat? Im Gegenteil, was du tunwirst, ist heldenhaft. Ihr sagt doch immer: Wer Frieden will, rüste zum Krieg! Und ich

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