Rückkehr nach Killybegs
schlage dir vor, dem Krieg den Krieg zu erklären.«
»Das ist doch Schwachsinn!«
»Glaub, was du willst«, lächelte der britische Agent. »Mit dir ist es aus, Meehan. Aber gibt es keine andere Lösung als sich damit abzufinden?«
»Schwein!«
»Drecksack! Scheißkerl! Engländerschwein! Tob dich ruhig aus. Ich sage nur, dass man nie gut mit jemandem zusammenarbeitet, der sich verpflichtet fühlt. Mir sind Menschen lieber, die es freiwillig tun. Und du tust es doch freiwillig, oder, Meehan?«
»Lassen Sie mich gehen.«
»Ich biete dir ein blütenreines Gewissen.«
Ich schloss die Augen. Jacks Blick, Sheilas Liebe.
»Wenn man sich so abrackert, um ein Held zu werden, kann man doch auch den Friedensnobelpreis annehmen, meinst du nicht?«
Der Agent legte mir die Hand auf die Schulter. Ich spürte den Druck seiner Finger. Hart und besänftigend zugleich.
»Gewissensbisse verderben einem nur das Leben, Tyrone. Wir helfen dir, sie loszuwerden.«
Unsere Blicke trafen sich.
»Außerdem hast du doch schon den halben Weg geschafft, indem du über Dannys Tod gelogen hast.«
Ich nahm meinen Kopf in die Hände.
»Ich lass dich jetzt für einen Moment allein, Tyrone. Nicht um darüber nachzudenken, sondern um wieder zu dir zu kommen. Wir sind im Flur, falls du uns brauchst.«
14
Sheila hatte eine alte Angewohnheit. Schon während der Internierung ihres Vaters hatte sie sich mit ihrer Mutter an Preisausschreiben in Zeitungen und Kaufhäusern beteiligt. Sie füllten Fragebögen aus, um Einkaufsgutscheine, wattierte Morgenröcke oder einen Truthahn zu Weihnachten zu gewinnen. Als ich im Gefängnis war, griff sie wieder zum Stift. Kreuzte Kästchen an, suchte im Wörterbuch nach Antworten, warf ihren Namen für Werbeumfragen in Urnen. Das war ihre Art zu warten, die Zeit ohne mich totzuschlagen. Während ich in Crumlin einsaß, gewann sie ein Nähkörbchen aus Weidenholz, ein vierundzwanzigteiliges versilbertes Besteck im Koffer, einen Fußball, einen Wecker, Schokolade und Rabatte zu Dutzenden. Als ich aus Long Kesh heimkam, stand ein neuer Sessel im Wohnzimmer, der erste Preis eines Gewinnspiels von »Stuarts«. Seit Jacks Verhaftung hatte sie wieder angefangen zu spielen. Einmal wurde ihr Gewicht mit Wolle aufgewogen, nachdem sie fünf Fragen zum Stricken beantwortet hatte.
Sheila beklagte sich nicht über ihr Los. Sie liebte mich, weil ich gekämpft und ihren Sohn auf den Kampf vorbereitet hatte. Manche Frauen trugen Waffen, transportierten Bomben oder sammelten Informationen an unserer Seite. Sheila hatte sichanders entschieden. Sie war eine Militante, keine Soldatin. Sie und Cathy, Liz, Roselyn, Joelle, Aude, Trish und viele andere waren das Herz unseres Widerstands. Sie verbanden unsere Wunden, saßen singend vor den Rädern der Panzerwagen, blockierten in ihren Küchenschürzen die Viertel, holten ihre Männer aus dem Pub und zwangen sie aufzustehen. Wenn der Feind ins Ghetto kam, waren sie die Ersten, die ihn in Empfang nahmen. Im Morgenrock, im Nachthemd, manchmal barfuß auf den Straßen kniend, scharrten sie mit den Deckeln der Abfalleimer über den Boden. Sie waren unser Alarm. Unaufhörlich demonstrierten sie für die Freiheit Irlands. In Dreierreihen, ohne Geschrei, mit dem Foto eines Gefangenen oder einem Totenkranz in den Händen. Eine ganze Armada von Kinderwagen mit sich schleppend.
Um mit dem Lächeln des Ehemanns im trauerumflorten Rahmen zu leben, den Sohn zu verarzten, wenn er im Morgengrauen heimkehrt, oder die Hand des verhungernden Kindes bei seinem letzten Atemzug zu halten, braucht man Stacheldraht ums Herz. Sheila war eine von diesen Frauen.
Als ich an diesem Abend aus der Innenstadt heimkam, legte ich mit der Post ein Preisausschreiben neben das Telefon. Und wartete.
Es war der 2. März 1981. Ich hatte einen Eimer Kohlen aus dem Schuppen geholt und fütterte damit, auf dem Teppich kniend, den Ofen.
»Wie fändest du einen kleinen Ausflug nach Paris, Tyrone?«
Ich hielt inne. Mein Herz krampfte sich zusammen.
»Paris?«
Sheila kam mit dem Prospekt ins Zimmer.
»Nach allem, was du durchgemacht hast.«
Abwehrend hob ich die Hand. Wir sprachen nie über Long Kesh.
»Hör dir das mal an!«
Ich drehte mich zu ihr um. Sie hatte ihre Brille aufgesetzt. Sie war schön.
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