Rueckkehr nach River's End
ließ sie wieder sinken.
»Sie lassen ihn eher frei, nicht wahr? Wann?«
Ihre Augen wirkten riesig. Er dachte an das Kind, das ihn aus seinem Versteck angestarrt hatte. Diesmal konnte er nichts tun, um den Schlag zu dämpfen.
»Seit zwei Wochen ist er draußen«, erwiderte er.
Das Telefon ließ Noahs Konzentration in tausend kleine Scherben zerspringen. Mit einem wütenden Fluch ignorierte er jedoch das zweite Klingeln, starrte auf die letzte Zeile, die er geschrieben hatte, und versuchte, seine Gedanken wieder in Fluss zu bringen.
Beim dritten Klingeln griff er nach dem Hörer.
»Was zum Teufel ist los?«
»Ich wollte mich nur verabschieden. Tschüss.«
»Warte, Liv! Verdammt, leg nicht gleich wieder auf. Zwei Tage lang reagierst du nicht auf meine Anrufe, und dann erwischst du mich auf dem falschen Fuß.«
»Ich war beschäftigt, und du bist es jetzt offensichtlich auch. Also...«
»Okay, okay, tut mir leid. Ich war unhöflich. Ich bin ein Idiot. Ich habe die Sackkutte schon übergezogen. Hast du meine Nachrichten erhalten?« Alle zehntausend Stück, fügte er in Gedanken hinzu.
»Ja, ich hatte nur bisher noch keine Zeit zurückzurufen. Und jetzt habe ich nur noch eine Minute. Die Leute gehen schon an Bord.«
»An Bord? Was? Du bist am Flughafen? Du reist schon ab?«
»Ja, ich habe meine Pläne geändert.« Ihr Vater befand sich auf freiem Fuß. War er schon in L. A.? Würde er zuerst in diese Stadt kommen? Olivia rieb mit der Hand über ihren Mund und zwang sich, leichthin zu klingen. »Ich muss zurück, und ich dachte, es interessiert dich vielleicht. Wenn du immer noch wegen deines Buches mit mir sprechen willst, kannst du mich im Gästehaus erreichen, oder im Zentrum.«
»Bleib doch noch bis morgen früh, eine Nacht macht wirklich keinen Unterschied. Olivia, ich will dich sehen!«
»Du weißt, wo du mich findest. Wir arbeiten irgendwann einen Zeitplan für die Interviews aus.«
»Ich will...« Dich, erkannte er. Warum musste es nur schon wieder so kompliziert laufen?
»Es geht nicht nur um die verfluchten Interviews«, setzte er erneut an, aber sie hatte schon eingehängt.
Noah knallte den Hörer auf.
Diese Frau brachte ihn um den Verstand. Mal war sie leidenschaftlich, dann wieder kühl, hüpfte auf, nieder und zur Seite. Wie zum Teufel sollte er damit Schritt halten?
Jetzt war sie fort, außer Reichweite, ohne ihm die Gelegenheit zu geben, sie aufzuhalten. Sollte er ihr nachlaufen? War das ihr Spiel?
Wütend ließ er sich zurücksinken und starrte an die Decke. Nein, Olivia spielte nicht, sie kämpfte vielmehr. Das war ein großer Unterschied.
Es gab Details, um die er sich kümmern, Informationen, die er sichten musste . Und dann würde er es mit ihr aufnehmen.
Er war mehr als bereit, sich Olivia im Zweikampf zu stellen.
Olivia entspannte sich erst, als das Flugzeug abhob und sie sich in ihren Sitz zurücklehnen und die Augen schließen konnte. Los Angeles wurde unter ihr immer kleiner, geriet außer Reich- und bald auch außer Sichtweite. Dort gab es jetzt nichts mehr für sie zu tun, keinen Grund zur Rückkehr. Das
Haus, das einst ihr Schloss gewesen war, stand hinter verschlossenen Eisentoren und gehörte Fremden.
Und die Spuren des Mordes, der dort einmal geschehen war, waren längst weggewischt.
Falls Noah sich bei ihr melden würde, musste sie sich mit seinem Ansinnen auseinandersetzen. Und mit ihm. Sie hatte sich bewiesen, daß sie sich ihren Erinnerungen stellen konnte. Die Erinnerungen waren nur in Worte zu kleiden, und Worte konnten ihr nichts anhaben.
Das Monster war frei.
Es war wie ein Flüstern in ihrem Ohr, eine Warnung, gefolgt von einer hämischen Schadenfreude.
Aber es machte ihr nichts aus. Sie würde es nicht an sich herankommen lassen. Ob sie seine Zelle nun aufgesperrt hatten oder nicht, ob sie ihm einen Anzug und Geld, das er sich während der Jahre im Käfig verdient hatte, gegeben hatten - für sie war er schon seit langer, langer Zeit tot.
Sie konnte nur hoffen, daß sie für ihn ebenfalls tot war. Daß er nicht mehr an sie dachte.
Und falls er es tat, so hoffte sie, daß ihm jeder Gedanke an sie Schmerzen bereitete.
Olivia wandte den Kopf vom Fenster ab und zwang sich, endlich einzuschlafen.
Andere fanden nur schwer in den Schlaf, und als er kam, war er voller Furcht und blutiger Bilder.
Das Monster war frei. Es tobte durch Träume, bahnte sich ungeschickt einen Weg ins Herz und vergoss bittere Tränen.
Das Monster war frei, und es wusste , daß
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