Rückkehr nach St. Elwine
sozialistische Errungenschaft. Hm - nun mussten die Mütter aus dem Wohnviertel wieder einen kilometerlangen Weg zurücklegen, um ihre Kinder in einer Tagesstätte unterzubringen.
Es folgten ausführliche Abhandlungen über den 85. Geburtstag ihres Großvaters, der Eröffnung eines Supermarktes gleich neben der Schulsporthalle im Viertel und die Ankündigung, dass sie zum drittel Mal Tante wurde. Mein Gott, sie kannte nicht eines der Kinder ihrer Schwester. Wie gern würde Flo alle miteinander wieder sehen, doch daran war vorerst nicht zu denken. Ganz kurz zuckte mal wieder der Gedanke durch ihr Hirn, einfach zurück zu gehen nach Deutschland. Das hieße, Kevin erneut aus seiner gewohnten Umgebung heraus zu reißen. Vor allem aber hieße es auch, reinen Tisch zu machen und ihre Familie um Verzeihung zu bitten. Dazu fühlte sie sich noch nicht in der Lage. Die Zeit war noch nicht reif dafür - oder fehlte es ihr einfach nur an Mut? Nun, wie auch immer. Sie würde jedenfalls nicht aufgeben. St. Elwine war der Ort, an dem sie Frieden gefunden hatte.
Als Kevin die Badtür aufschloss, strich seine Mutter gerade, beinahe liebevoll, über den Briefbogen.
„ Mom.“
Er ging langsam zu ihr, blieb dann jedoch unschlüssig stehen.
Sie hielt Fotos in der Hand. Fast immer legte seine Großmutter ihren Briefen Fotografien der Familie bei, so dass er zumindest wusste, wie all die unbekannten Verwandten aus Deutschland aussahen: Oma, Opa, Tante Petra mit den Kindern Sebastian und Sarah, die Onkel und Tanten seiner Mutter.
Jetzt sah Floriane auf und Kevin spürte sofort ihre Traurigkeit.
„ Tut mir leid, Mutti. Ich weiß nicht, warum ich immer so ausraste.“
Er legte sich die flache Hand an die Stirn.
„ Manchmal habe ich das Gefühl, dass in meinem Kopf alles durcheinandergeht. Ich will so was gar nicht sagen und trotzdem passiert es immer so schnell.“ Er kam noch einen Schritt näher und schmiegte sich schließlich an ihre Schulter. Flo zog ihn in ihre Arme.
„ Am Freitagabend werden wir zu der alten Ranch fahren, angeln und ein Lagerfeuer machen. Was hältst du davon?“
„ Du willst angeln? Das hast du doch noch nie gemacht“, meinte er trocken.
„ Dann angelst eben du und ich setze mich daneben und wir quatschen einfach so.“
„ Beim Angeln muss man den Mund halten. Sonst verscheucht man die Fische“, erklärte der Junge seiner Mutter.
„ Oh - `tschuldigung. Ich werde ein Buch mitnehmen, mich wortlos neben dich setzen und lesen“, gab sie lachend von sich.
„ Okay. Warum erst Freitag und nicht schon morgen?“
„ Weil Freitag der letzte Ferientag ist. So haben wir beide einen schönen Abschluss der Ferienzeit“, erklärte Floriane.
Kevin zog ein finsteres Gesicht.
„ Hier ist die Scheißschule auch nicht anders als in Washington oder sonst wo.“
„ Einen Versuch ist es immerhin wert, oder, Kumpel?“
„ Hm.“
Seine Mutter gab ihm einen Gute-Nacht-Kuss und er verzog sich in sein Zimmer.
Flo fischte sich aus dem Kühlschrank noch ein Ginger Ale, zündete eine Kerze an und lauschte den Songs von Tyler O`Brian. Wie sie diese Musik liebte. Ein herrlicher Tag verabschiedete sich und ging über in eine wunderschöne Nacht.
24. Kapitel
Joshua verspürte nach diesem langen Tag Hunger, hatte aber wenig Hoffnung, etwas einigermaßen Genießbares in seinem Kühlschrank zu finden. Wenn er noch auf Tanner House leben würde, hätte er diese Sorge jedenfalls nicht. Gewisse Vorteile, verließ man den heimischen Herd nicht, lagen ganz klar auf der Hand. Er öffnete die Tür zum Kühlschrank und schlagartig wurde ihm bewusst, wie sich ein allerletzter Kunde beim Schlussverkauf fühlen musste. Sein Verdacht bestätigte sich leider in seiner ganzen Deutlichkeit. Frustriert langte er nach einer angebrochenen Packung Orangensaft. Da hinten waren noch Reste seiner Pizza von letzter Woche. Das war ja ekelhaft. Die hatte er total vergessen. Angewidert warf er sie in den Mülleimer.
Der kleine welke Salatkopf und das Schälchen mit der Pasta flogen hinterher. Das Haltbarkeitsdatum auf dem Joghurt war längst überschritten und so landeten auch diese Becher im Abfall. Schließlich hatte Josh keine Lust, sich auf diesem Wege irgendeine Krankheit einzufangen. Nein danke! Flüchtig dachte er an die köstliche Lasagne seiner Schwester oder an all die herrlichen Sachen, die die Köchin auf Tanner-House ihnen immer vorsetzte. Kurz warf er einen Blick auf seine Uhr. Es war bereits reichlich spät, um noch
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