Rückkehr nach St. Elwine
so ein Theater machten wie Gloria. Schließlich war sie es gewesen, die das Kind unbedingt haben wollte. Langsam war er mit seiner Geduld wirklich am Ende und mit ihm auch seine gesamte Familie.
Als die Wehen einsetzten, fuhr Olivia mit Gloria ins St. Elwine Hospital. Die Entbindung verlief komplikationslos und schnell - jedoch nicht, wenn man Gloria danach fragte. Sie fand es ausgesprochen schrecklich, eine einzige Quälerei ohne gleichen und schrie das ganze Krankenhaus zusammen und das, obwohl man ihr, auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin, sofort eine Peridualanästhesie verabreichte hatte. All ihren Schimpftiraden zum Trotz wurde Nicolas Joshua Tanner schließlich geboren. Ein hübsches, rosiges Baby. Echte Muttergefühle stellten sich bei Gloria nicht so recht ein.
Als Josh zum ersten Mal den Jungen sah, konnte er mit ihm nichts anfangen. Die Schwierigkeiten, die er mit dessen Mutter hatte, die ihn monatelang gezwungen hatte, sich in sich selbst zurück zu ziehen, um mit den Schuldgefühlen fertig zu werden, sorgten jetzt dafür, dass er sich für das Baby nicht öffnen konnte.
Gloria ihrerseits, gab ihrem Mann abermals die Schuld an der Schinderei während der Geburt und bestand darauf, sich erst einmal für eine angemessene Zeit ausruhen zu müssen. Nachts, wenn Nicolas schrie, rührte sich Gloria nicht. Wozu auch, schließlich gaben sie teures Geld für eine Kinderschwester aus. Doch es war Josh, der aufstand, um das Kind zu beruhigen, ihm sein Fläschchen gab und es wickelte, wenn die Windeln nass waren. Er konnte den Gedanken einfach nicht ertragen, dass das Baby sich wahrscheinlich nach dem Trost der vertrauten Stimme sehnte, die es bereits im Mutterleib gehört hatte. Da wollte wenigstens er als Vater die nötige Aufmerksamkeit für das Kind aufbringen und ihm ein wenig Geborgenheit vermitteln. Schließlich war Nicolas nicht Schuld an Joshuas Misere.
„ Hey Kleiner, scht... ist ja schon gut. Was quält dich denn?“
Josh hob ihn aus seinem Bettchen, legte ihn sich ganz sanft an die Brust und siehe da, das kleine Köpfchen schmiegte sich wie von selbst gegen seine breite Schulter. So wanderte er oft stundenlang durch das Haus und brabbelte irgendwelchen belanglosen Blödsinn. Dieses Ritual beruhigte nicht nur das Kind. Hin und wieder summte er alte, längst vergessen geglaubte, Schlaflieder aus seiner eigenen Kindheit. Es hörte sich sogar in seinen Ohren sehr sonderbar an. Wahrscheinlich traf er nicht einen einzigen Ton, sinnierte Josh. Der Kleine allerdings schien es zu mögen.
Josh konnte nicht anders, nach und nach verlor er sein Herz an diesen kleinen Burschen, der so furchtbar zerbrechlich wirkte mit seinen winzigen Zehen und Fingerchen.
Aber er musste realistisch sein, er konnte nicht ewig zuhause bleiben. Deshalb beauftragte er seine Mutter, ein Auge auf die Kinderschwester zu haben. Sie versprach, auf alles zu achten, er solle sich keine Sorgen machen. Bei manchen Frauen kamen die Muttergefühle erst etwas später, erklärte sie ihm teilnahmsvoll. Gloria litt wahrscheinlich stark unter der so genannten Wochenbettdepression.
Bevor Josh abflog, richtete er für seine Frau einige Kreditkartenkonten ein und kaufte ihr schließlich einen kleinen Flitzer. Er hoffte inständig, sie damit versöhnlicher zu stimmen. Es musste sie doch freuen, unabhängig zu sein, zumindest nach außen hin.
Zu seinem Erstaunen fiel es ihm nicht leicht, Tanner House zu verlassen. Er wollte das Baby nicht allein lassen und die Vorstellung, er würde das erste Lächeln und die vielen
Veränderungen, die tagtäglich mit dem Kind vor sich gingen, verpassen, machten ihm sehr zu schaffen. Mehr als gut für ihn war. Schließlich siegte die Vernunft. Er war im Augenblick nicht in der Lage, die Situation zu ändern und daher blieb nur, sie zu akzeptieren.
„ Ich kümmere mich um Nicky." Olivia, die ihm die Sorgen vom Gesicht ablesen konnte, legte ihm die Hand an die Wange.
Gloria hatte das Kind von Anfang an nicht stillen wollen. Sie bangte um ihre straffen Brüste, hatte sie ihrem Mann erklärt, der sie daraufhin nur angestarrt hatte.
Die meiste Zeit des Tages kümmerte sich die Kinderschwester oder Olivia, hin und wieder auch Angelina, um den Kleinen. Es ließ sich allerdings nicht behaupten, dass Gloria ihr Kind nicht liebte. Sie tat es jedoch auf ihre ganz eigene Art und zwar immer dann, wann sie es für zweckmäßig hielt. Jetzt, da sie nicht mehr an das Baby und das Haus gebunden war, ging es ihr allmählich
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