Rückkehr nach St. Elwine
noch Joshua Tanner als Zeugen.
Sie musste sich zwingen, tief durchzuatmen. Es gab schließlich noch genug zu tun. Sie musste ihren Vater ins Bett bugsieren. Ein Blick auf seinen Schoß signalisierte ihr, dass er in die Hose uriniert hatte. Josh hatte das ebenfalls bemerkt. Er gab sich allerdings die größte Mühe, seine Gesichtszüge nicht entgleiten zu lassen, was sie sicherlich als lobenswert anerkennen musste. Vielleicht würde ihr das eines Tages gelingen. Jetzt musste erst einmal dringend die Küche von Ruß befreit werden und dann wartete oben noch ein Berg Bügelwäsche auf sie. Deshalb sagte Liz ganz ruhig, aber bestimmt: „Josh, es ist besser, wenn du jetzt gehst.“ Sie musste husten, ihr Hals schmerzte dabei höllisch und ihr Herz schrie: „Lass mich jetzt bitte nicht mit ihm allein, Josh! Bitte nicht!“ Ihr Stolz aber war von jeher stärker als ihr Herz, und so sagte sie nichts dergleichen.
„ Aber du bist krank. Lass mich dir helfen!“
Sie war so dicht davor, seiner Bitte nachzugeben. Schaffte es dann aber doch nicht, ihre brennende Scham zu besiegen. „Nein. Bitte, geh jetzt!“
„ Das ist doch Wahnsinn, Lizzy.“ Er wagte sich weit vor, das musste sie ihm lassen. Er konnte schließlich nicht ahnen, auf was er sich da einlassen wollte.
„ Geh, verdammt noch mal!“, schrie sie krächzend.
Erst bei diesem Satz, lenkte er ein. „Bitte, wenn du das unbedingt willst.“ Doch er sah sie frustriert und beinahe so verzweifelt an, wie sie sich bei jenem Anblick fühlte. Nein! Oh Gott, es war so schwer zu bitten.
„ Ja.“ Sie wusste selbst nicht, wie sie es schaffte, ihrer Stimme diese Schärfe zu verleihen.
„ Herrgott, Lizzy!“ Doch da drehte er sich bereits um und kam ihrem ausdrücklichen Wunsch nach. Sie hatte es schließlich so gewollt, warum fühlte sie sich dann von ihm verraten. In ihren Augen schwammen Tränen, aber ihr Entschluss stand fest, sie würde sie zurückdrängen.
Ihr Vater schnarchte leise vor sich hin. Liz unterdrückte mit aller Macht den Drang die Bratpfanne auf seinen Schädel niedersausen zu lassen. Gott hilf mir! Was habe ich für Gedanken, fragte sie sich bestürzt. Bin ich ein schlechter Mensch? Sie würde alles wieder gut machen. Wenn sie erst Ärztin wäre, würde sie den Menschen helfen. Damit konnte sie Buße tun und so irgendwann ihre Schuld, ihre schlechten Gedanken auslöschen. Ganz sicher! Sie würde den Leuten schon zeigen, dass sie etwas aus sich machen konnte. Auch wenn sie nicht zu den von Geburt an Privilegierten gehörte. Eines Tages, da war sie sich ganz sicher.
Mit einem Mal war Liz wieder in der Gegenwart. War sie etwa deshalb nach St. Elwine zurückgekehrt, um es allen zu zeigen, ganz besonders um es Joshua Tanner zu zeigen? Was für ein Unsinn. Sie hatte ja schlecht annehmen können, dass er nahezu zehn Jahre damit verbrachte hatte, hier lieb und brav auf sie zu warten, was er ja schließlich auch nicht getan hatte. Er war immerhin bereits geschieden. Ihr Unterbewusstsein hatte doch nicht etwa tatsächlich in Betracht gezogen, dass sie beide ein Paar werden könnten?
So ein Quatsch!
Selbst wenn sie sich in ihrer gesellschaftlichen Stellung etwas annähern konnten, so hieß das schließlich noch gar nichts. Auch, dass ihre Körper von jeher heftig aufeinander reagiert hatten, änderte nichts an der Tatsache, dass sie aus völlig verschiedenen Welten kamen. Das würde auch immer so bleiben - egal, was sie aus sich gemacht hatte oder wie sie sich jetzt kleidete. Der Kern blieb. So war das nun einmal.
Seufzend schloss Elizabeth die Augen. Es war bereits wieder viel zu spät. Der unbarmherzige Wecker würde sie in ein paar Stunden aus den Träumen reißen.
Zum Teufel mit Joshua Tanner!
17. Kapitel
War das der Garten Eden? Liz war sich nicht sicher, aber so musste es dort wohl aussehen. Jedenfalls hatte sie ihn sich stets genauso vorgestellt. Oder nein. Das, was sie nun sah, übertraf sogar noch ihre Träumereien aus der Kindheit: ein zauberhafter Garten, ganz ohne Frage. Ungläubig schaute sie aus dem Fenster des Jeeps.
Hinter ihnen schloss sich das große schmiedeeiserne Tor. In der Mitte des Tores war in bester Handarbeit das Familienwappen der Tanners eingearbeitet. Die Auffahrt aus Kopfsteinpflaster, gesäumt mit hohen Bäumen, schien sich endlos da hinzuschlängeln. Nach einer kleinen Ewigkeit, wie Elizabeth meinte, konnte sie einen Blick auf das beeindruckende Haus werfen. Es stand auf einem kleinen Hügel, der
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