Rücksichtslos
nicht fotografieren lassen.
„ Na ? Schon wieder bei der Arbeit? Du sollst dich doch noch schonen . “ Philipp schaute sie finster an und Katharina zuckte schuldbewusst zusammen.
„ Äh … Wie lange stehst du schon d a ?“
„ Lange genug . Aber es freut mich, dass es dir besser geht.“ Er setzte sich zu ihr ans Bett und drückte sie fest an sich.
Dienstag 13.12. 201 1
Karl ging wieder seiner Lieblingsbeschäftigung nach: die Frauen beobachten. Vier Frauen waren momentan einquartiert, und so wie Frau Kowatz erzählt hatte, würden sie demnächst wieder Zuwachs bekommen. Er war gespannt. Das Verhalten der Frauen nach ihrer Einlieferung war faszinierend und unvorhersehbar. Die einen begehrten auf und wurden wütend. Die meisten weinten, manche wurden depressiv und antriebs los, und wieder andere aggressiv. Es war höchst interessant. Zumal er die meisten Gefühle nicht nachvollziehen konnte. Er hatte, soweit er sich erinnerte, noch nie in seinem Leben geweint. Und was war denn Freude? Interesse an etwas hatte er definitiv oft. Aber er konnte nicht verstehen, dass jemand lachte, nur weil man ihm etwas schenkte. Oder warum jemand weinte, nur weil ein Tier starb. Allein aus diesen Gründen beobachtete er gebannt die Frauen. Warum regten sie sich auf? Was bewog sie, zu weinen oder zu lächeln? Wenn er selbst in den Spiegel sah und sein Gesicht zu einem Lächeln verzog, empfand er nichts. Es sah einfach nur komisch aus. Doch diese Frauen schienen vor Emotionen zu sprühen. Auch wenn die meisten wohl negativ waren.
Da! Die Brünette aus Zimmer drei krümmte sich. Karl zoomte sie heran, sodass er ihr Gesicht noch besser sehen konnte. Es war schmerzverzerrt, und im nächsten Moment wieder entspannt. Ging es da etwa doch früher los? Er beschloss abzuwarten. Frau Kowatz mochte es nicht, wenn sie zu früh geholt wurde.
Wie lange er da saß und die Brünette beobachtete, konnte er nicht sagen. Doch auf einmal ging deren Zimmertür auf und die blonde Helferin, das Mädchen für alles, trat ein und stellte das Abendessen auf den Tisch. Karl verspürte auch Hunger und holte sich ein Brot aus der Küche. Als er sich wieder setzte, krümmte sich die Schwangere wieder, um sich kurz darauf ins Waschbecken zu übergeben. Er aß ungerührt weiter. Nachdem er fertig war, drückte er auf einen roten Knopf, der sich an der Wand neben den Bildschirmen befand.
Kurz danach kam der Boss ins Zimmer. Karl deutete auf den betreffenden Bildschirm und der andere nickte.
*
Das Essenstablett stand noch immer auf dem Tisch. Kira wunderte sich, doch dann zuckte sie die Schultern. Irgendwer wird es schon holen. Sie blätterte wieder in einer der Monate alten Zeitschriften, die man ihr gegeben hatte. Danach lief sie in ihrem Zimmer auf und ab. Draußen war es bereits dunkel. Wenn das so weiter ging, würde sie durchdrehen. Wenn sie wenigstens wüsste, was ihre Gefängnis wärter von ihr wollten. Garantiert nichts Gutes. Und da sie so an ihrem Baby interessiert waren, hatte es bestimmt damit zu tun. Nachdem sie eine Weile hin und her gegangen war, begann sie mit ihrem Gymnastikprogramm. Früher hatte sie nie Sport gemacht. Doch irgendetwas musste sie doch tun. Aus verschiedenen Magazinen für werdende Eltern hatte sie sich ein paar Übungen ausgesucht.
Kira hatte sich gerade auf den kleinen Teppich gesetzt, der auf dem harten PVC-Boden lag, als ein markerschütternder Schrei zu ihr drang. Unwillkürlich krampfte sich alles in ihr zusammen, und sie hielt die Luft an. Weitere Geräusche, die aus dem Nebenzimmer zu kommen schienen, hallten zu ihr. Sie saß wie ein Rehkitz, das sich vor dem Verfolger versteckt, reglos auf dem Boden. Angst machte sich in ihr breit. Schon wieder. Es war momentan nahezu ein Dauerzustand. Das konnte nicht gut für ihr ungeborenes Kind sein! Ein weiterer greller Schrei ertönte, und endete abrupt. Jetzt waren sie auf dem Flur. Doch wer? Kiras Atem ging stoßweise. Wer hatte so geschrien? Sie glaubte, dass es eine Frau gewesen war. Eine Frau wie sie? Was machen die hier? Oh Gott! Sie hatte solche Angst. Sie will weg von hier. Sie wollte heim – zu Mama und Papa.
Sie hatte eigentlich nie an Gott geglaubt. Allein die Tatsache, dass sie hier eingesperrt war, widersprach ihrer Meinung nach der Existenz Gottes. „Aber, falls es dich doch irgendwo geben sollte. Bitte, bitte hilf mir … “, flüsterte sie in den stillen Raum.
Nach einer gefühlten Ewigkeit stand sie steif auf. Ihre Füße waren
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