Rücksichtslos
eingeschlafen, und es dauerte einige Minuten, bis sie wieder durchblutet wurden. Die Reste des Abendessens standen noch immer auf dem Tisch. Hatten ihre Gefängniswärter keine Zeit, die Sachen zu holen. Oder waren sie vielleicht mit der anderen beschäftigt? Das könnte sein. Kira nickte fast unmerklich. Eventuell waren sie ja sogar so beschäftigt, dass sie nicht auf sie achteten, da sie eh der Meinung waren, dass sie nicht fliehen konnte. Tatendrang durchströmte sie, als sie ihren Schlafanzug anzog und die Zähne putzte. Hinterher machte sie das Licht aus und legte sich ins Bett, bis ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Ihr Gewissen meldete sich, da sie dabei war, die Situation, unter der diese andere Person offensichtlich litt, auszunutzen.
Als der richtige Zeitpunkt gekommen war, stand sie leise wieder auf, drapierte ihre Decke, sodass es aussah, als läge sie selbst noch dort und schlich in Richtung Eingangstür. So, wie die Kamera ausgerichtet war, dürfte man sie von hier aus nicht sehen. Nach außen hin völlig ruhig trat sie wieder einen Schritt ins Zimmer, nahm den Holzstuhl und trug ihn zur Tür. Anschließend stieg sie auf ihn und drehte die Kamera ein Stück weiter nach links, sodass sie noch mehr auf das Bett gerichtet war. Oh Mann, war sie aufgeregt! Nun ging sie auf Zehenspitzen auf der rechten Zimmerseite entlang bis zu der Glastür. Kira kniete sich auf den Boden und untersuchte die Scheibe. Leider war es ziemlich dunkel. Auch von draußen schien nur der halbe Mond in das Zimmer. Sie presste die Nase an die kalte Scheibe. In der Ferne machte sie am Himmel einen Lichtschimmer aus, der von einer Stadt zu stammen schien. Ansonsten konnte sie kein künstliches Licht erkennen. Ihre Finger tasteten sich an dem Holzrahmen entlang. Nirgends war die Scheibe lose. Sie untersuchte das Schloss, nahm das Messer, das noch neben dem Teller lag, und schob es zwischen Rahmen und Tür. Doch es bewegte sich nichts. Immer wieder lauschte sie in Richtung Zimmertür. Nachts waren gelegentlich gedämpfte Schritte durch die dichte Tür zu hören. Doch meist erst, wenn die betreffende Person fast vor dem Zimmer angelangt war.
Sie musste die Scheibe einwerfen. Das war ihre einzige Chance von hier zu fliehen. Doch das wird laut. Und wie kam sie draußen über die hohe Mauer? Bloß nichts überstürzen. Sie musste sich einen Plan zurechtlegen. Zum einen würde sie das beschäftigen. Andererseits glaubte sie, dass sie noch Zeit hatte, da noch die halbe Schwangerschaft vor ihr lag. Kira war sich sicher, dass ihre Entführer aus irgendeinem Grund ihr Baby wollten. Und noch wäre es nicht lebensfähig. Also war noch Zeit, sich einen Plan auszudenken.
*
Karl hielt die Hände verschränkt und ließ gelangweilt seine Daumen umeinander kreisen. Sein Blick wanderte wieder über die Bild schirme. Die drei verbliebenen Weiber schliefen, während die Gebärende ihrem Ende entgegensteuerte. Es wollte nicht richtig vorangehen. Er gähnte. Es war weit nach Mitternacht. Bevor er einnickte, stand er auf und verließ den Keller, um sein Zimmer im Dachgeschoss aufzusuchen. Wenn es soweit wäre, wussten sie, wo sie ihn finden würden.
Mittwoch 14.12. 201 1
Katharina verließ beinahe fluchtartig das Sankt-Katharinen-Kranken haus. Mittlerweile fand sie es nicht mehr lustig, dass die Klinik ihren Namen hatte. Sie war einfach nur froh, dort rauszukommen. Früher hätte sie nur auf eigene Verantwortung gehen dürfen. Doch als sie das am Freitag erwähnt hatte, war Philipp derartig stinksauer geworden, wie sie ihn noch nie erlebt hatte. Also hatte sie klein beigegeben und war in der Klinik geblieben. In ihrem Innersten wusste sie ja, dass das besser war. Doch sie war weit davon entfernt, das zuzugeben und schnaubte bei dem Gedanken laut aus. Philipp grinste schweigend und trug ihren Koffer zu seiner Corvette.
Es war schon beinahe Mittag, doch früher hatte sie ihren Entlassungsbrief einfach nicht erhalten. Pah! Allerdings war sie den Ärzten durchaus dankbar. Das war Mittwochnacht verdammt knapp gewesen, wie man ihr verdeutlicht hatte. Und während sie versuchte, mit Philipp Schritt zu halten, merkte sie auch, dass es ihr zwar besser ging, aber sie war mit Sicherheit weit davon entfernt hundert prozentig gesund zu sein.
Thomas hatte sie Freitagabend besucht und ihr die Neuigkeiten mitgeteilt. Naja. So viel Neues gab es nicht. Alfred und er hatten die beiden Mordfälle erneut verglichen. Der neue Staatsanwalt hatte
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