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Rücksichtslos

Rücksichtslos

Titel: Rücksichtslos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Slottke
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niemand außer ihm war so verrückt, bei dem zunehmenden Schneetreiben über die unbefestigten Wege zu fahren.
    Karl hielt an und stieg, nach allen Seiten Ausschau haltend, aus. Dann warf er sich die Leiche über die rechte Schulter und hielt sie fest. Das Gewicht der toten Frau spürte er kaum. Mit der anderen Hand packte er die Plastikwanne und klemmte sie zwischen Arm und Hüfte ein. Der Schnee lag mittlerweile einige Zentimeter hoch. Karl suchte sich einen Weg zwischen den hohen Bäumen. Ein paar mal stolperte er, da unter der weißen Decke unebene Stellen und Wurzeln verborgen lagen. Doch schließlich gelangte er an ein Dickicht, hinter dem hohe kahle Laubbäume standen. Er warf die Tote vor sich auf den Waldboden und stellte die Wanne neben ihr ab. Unschlüssig blieb er stehen und starrte auf das kleine Gesicht. Die Schneeflocken tanzten immer wilder um ihn herum, und die ersten dicken Flocken blieben auf der kalten Wange des Babys liegen. Der Wind hatte an Stärke zugenommen und pfiff unheimlich zwischen den hohen Bäumen hindurch. Karl versuchte, den Kloß in seiner Kehle hinunterzuschlucken. Ohne Erfolg. Es war ihm, als läge ein Zauber in der Luft, als wären die weißen großen Flocken Geister aus einer anderen Welt. Ein verwunschener Ort. Er fühlte sich außerstande, das Kind aus der Wanne zu heben, obwohl er wusste, dass sein Gönner toben würde, wenn er ohne sie zurückkäme. Jedoch getraute er sich nicht mehr, näher zu treten. Fast so, als hielte ihn eine unsichtbare Macht zurück. Er trat einen Schritt zurück. Und noch einen. Bis er mit dem Rücken an einen Baumstamm stieß und am Weitergehen gehindert wurde. Der Schneefall hatte derart zugenommen, dass von dem Kind und der Wanne nur noch schemenhafte Umrisse zu erkennen waren. Auch die Plastiktüten, in denen die tote Frau steckte, wurden, geschützt durch das Gestrüpp, immer weiter zugedeckt. Für den Bruchteil einer Sekunde hörte das Pfeifen des Windes auf und eine unheimliche Stille senkte sich über das Waldstück. Das Tageslicht wurde fast gänzlich von den dunklen Schneewolken und den Baumkronen verschluckt. Dann tobte der Sturm richtig los. Karl drehte sich augenblicklich um und hastete zu seinem Auto.

Freitag 16.12. 201 1
     
    Jetzt hatte sie sich die Zunge an dem heißen Kaffee verbrannt. Beim Frühstück blätterte Katharina immer in der Zeitung und überflog einige Artikel. Dabei war sie über ein Interview mit Staatsanwalt Sandfordt gestoßen, das er anscheinend am Vortag nach der Besprechung mit der SOKO Schleuse gegeben hatte. „Selbst verständlich haben wir schon eine heiße Spur, über die ich jedoch hier nicht reden darf. Aber wir verfügen über hervorragende Kripobeamte. Vor allem Kommissarin Bergen hat immer den richtigen Riecher.“
    Als Katharina diese Aussage gelesen hatte, hatte sie vor Schreck einen viel zu großen Schluck Kaffee genommen. Hastig sog sie kühlere Luft in den Mund. Verdammt! Dieser Lackaffe. Was sollte denn das bedeuten?
    „ Alles okay?“, fragte Philipp. Sie reichte ihm wortlos das Zeitungsblatt.
    „ Schön“, meinte er. „Wir wissen ja, dass du eine tolle Spürnase hast.“ In seiner Stimme klang Bewunderung mit.
    „ Vielleicht.“ Katharina war genervt, und noch immer schmerzte ihre Zungenspitze. „Aber gestern gab er mir zu verstehen, dass ich verschwinden solle. Ich denke, das ist eine Retourkutsche, da meine Kollegen, allen voran Pohl, mir Rückendeckung gegeben haben.“
    Sie schilderte ihm kurz die Vorfälle des vorigen Tages. Thomas hatte ihr den Rest am Telefon erzählt.
    „ So ein Blödmann“, meinte Philipp daraufhin.
    „ Sag ich doch. Zumal dieser Möchtegernanwalt eigentlich wissen müsste, dass man solche Aussagen nicht veröffentlicht. Schon gar nicht, wenn wir überhaupt keine Spur haben. Mit seiner dämlichen Aussage hat er mich in den Vordergrund der Ermittlungen gestellt. Und das passt mir überhaupt nicht.“
    „ Und nun?“
    „ Nichts weiter. Ich mach einfach meine Arbeit, wie immer.“
    „ Hm. Jetzt wo du mitten in dieser Ermittlung steckst und gerade erst so krank warst, ist es trotzdem okay, dass ich Jürgen und seine Frau für den 27. hierher eingeladen habe?“
    „ Klar. Das geht schon. Sie kommen ja erst abends. Ich schau, dass ich pünktlich Schluss machen kann. Um das Essen kümmerst du dich, oder?“
    „ Ja.“ Philipp grinste. „Ich hab unseren Freund Enrico engagiert. Dann haben wir keine Arbeit.“
    Enrico war ein befreundeter Restaurantbesitzer, der

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