Rücksichtslos
sich unwohl. Zwischen ihren Schulterblättern juckte es, und die feinen Härchen in ihrem Nacken stellten sich auf. Ihre Jackentaschen abklopfend und weiter suchend drehte sie sich um und ließ ihren Blick durch die Umgebung huschen. Ihr fiel nichts Besonderes auf. Die Wege von zwei Männern und einer Frau kreuzten sich gerade. Die Männer liefen in ihre Richtung. Die Frau entfernte sich von ihr. Katharina stutzte. Irgendetwas … Was? Sie konnte den Gedanken nicht fassen. Und je mehr sie versuchte, ihn zu greifen, desto weiter zog er sich zurück. Mist! Was hat te sie stutzig gemacht? Mit einem Kopfschütteln kramte sie schließlich den Schlüssel hervor und öffnete die Autotür. Erschöpft sank sie in den Fahrersitz, schloss die Augen und lehnte den Kopf an der Kopfstütze an. Das Ganze strengte sie doch mehr an, als sie erwartet hatte. Aber zugeben würde sie das nie.
Zeit für die Mittagspause. Entschlossen schob sie den Schlüssel ins Zündschloss und startete. Sie steuerte das Auto in den Verkehr, der nun deutlich zugenommen hatte. Kein Wunder. Nur noch ein paar Tage bis Weihnachten und die Leute mussten alle noch ihre letzten Geschenke organisieren. Sie selbst hatte kurzentschlossen Philipps Geschenk umplanen müssen. Hoffentlich freute er sich über den Gutschein.
*
So leise er konnte, schlich Karl in den Keller. Als er heute nach einer al b traumüberladenen Nacht endlich aufgewacht war, war ihm siedend heiß eingefallen, dass er die blaue Wanne im Wald zurückgelassen hatte. Das tote Gesicht des Babys hatte ihn die ganze Nacht über verfolgt. Auf das Frühstück hatte er verzichtet, um so schnell wie möglich eine neue Wanne besorgen zu können. In den Wald würde ihn so schnell nichts mehr bringen. Karl hatte Glück. Im zweiten Supermarkt wurde er fündig. Da das blaue Plastikteil ziemlich neu aussah, dachte er sogar daran, es etwas mit Sand abzureiben. Auf diese Idee war er sehr stolz, und nun sah die Wanne fast so aus, wie die alte.
Normalerweise war es Karl verboten, sich im Keller aufzuhalten, wenn man ihn nicht ausdrücklich dorthin bestellt hatte. Doch das war ihm egal. Er setzte leise Fuß vor Fuß und stieg die Treppe hinab. Unten angekommen hielt er inne und lauschte. Nichts war zuhören. Er öffnete vorsichtig die Tür zu dem Raum, in dem die Frauen starben, ging hinein und stellte die Wanne an ihren Platz. Augenblicklich fühlte er sich erleichtert und atmete hörbar aus. Als er das Zimmer verlassen wollte, ging die Fahrstuhltür auf. Erschrocken wich er in den Raum zurück, schloss die Tür und presste das rechte Ohr gegen das Türblatt. Zunächst vernahm er nur ein Gemurmel. Karl erkannte Frau Kowatz und den Boss.
„ Das muss doch nichts bedeuten“, sagte die Kowatz.
„ Muss nicht, aber allein die Tatsache, dass die Bullen zweimal in einer Woche dort rumgeschnüffelt haben … “, erwiderte der Boss.
„ Die tappen doch völlig im Dunkeln. Raten nur rum.“
„ Sie war halt nervös, weil sie diese Kommissarin wieder erkannt hat.“
„ Die wissen nichts. Die können gar nichts wissen. Woher denn auch?“
„ Aufregen tut es mich aber trotzdem.“
„ Klar, mich auch. Lass uns das eine Warnung sein“, meinte die Kowatz.
„ Hm. Wir müssen verdammt vorsichtig sein. Vielleicht holen wir die nächsten Weiber woanders her.“
„ Die letzten wurden ja nicht … “
Karl hörte nur noch ein Flüstern. Die zwei waren in dem ihm verbotenen Bereich verschwunden. Er spähte in den Flur. Dann schlich er die Treppe hoch und suchte die kleine Küche auf. Jetzt musste er was essen. Nach einem halben Tag ohne Nahrung fühlte er sich, als wäre er kurz davor zu verhungern.
*
Es war schon nach Mittag, als Katharina in die Kriminal direktion zurückkehrte. Ihr gesamter Körper ließ sie spüren, dass sie noch nicht wieder ganz gesund war. Die Muskeln schmerzten bei der geringsten Anstrengung und beim Treppenlaufen schnappte sie nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Sie stieß die Bürotür auf und warf sie wieder hinter sich zu. Dann plumpste sie in den Bürostuhl. Das belegte Brötchen, das sie unterwegs gekauft hatte, flog auf den Schreibtisch.
„ Alles in Ordnung?“, fragte Thomas.
„ Mehr oder weniger.“
„ Geh doch … “
„ Lass mich in Ruhe. Ich weiß, dass ich noch nicht auf dem Damm bin.“
„ Schon gut.“ Thomas hob beschwichtigend die Hände. „Dann trink und iss etwas. So wie ich dich kenne, hast du nichts mehr zu dir genommen, seit du
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