Rücksichtslos
gegangen bist.“
„ Hm“, brummte sie zurück.
Katharina holte eine Sprudelflasche, die unter ihrem Schreib tisch stand, nahm einen kräftigen Schluck und packte das Schinken brötchen aus. Sie biss ab und lehnte sich seufzend zurück. Dass das so anstrengend sein würde, hätte sie nicht gedacht. So schwach hatte sie sich noch nie gefühlt. Mist. Sie ärgerte sich über sich selbst. Mitten in einem Fall krank zu werden und auch noch auszufallen war für sie ein Ding der Unmöglichkeit. Zu der körperlichen Schwäche hinzu kam noch ein Gefühl, als ob sie Watte im Kopf hätte. Das konnte sie überhaupt nicht gebrauchen. Die Unfähigkeit zu denken, die Tatsache, dass gefasste Gedanken wieder verschwanden und manche ihr erst gar nicht in den Sinn kamen. Katharina schüttelte vor sich hin starrend den Kopf. Normalerweise entwickelte sie für jeden Fall ein Gefühl. Doch diesmal war es ihr scheinbar abhanden gekommen. Jegliche Intuition – wie weggeblasen. Wie sie hoffte, nur vorübergehend. Gedanken verloren glitten die Blätter des Ordners, den sie Sandfordt hingeknallt hatte, durch ihre Finger. Die Aktion heute Morgen hatte nichts ergeben. Die Betreuerinnen in den Frauenhäusern hatten ihr nichts verschwiegen. Dessen war sie sich sicher. Doch warum hatte sie vor ihrem Auto so ein seltsames Gefühl gehabt? Ihr Kopf begann zu pochen und alles schien zu verschwimmen. Sie schloss die Augen. Konnte sie wirklich sicher sein, dass ihr nichts verschwiegen wurde? Was wäre, wenn doch? Die Zurrer … die anderen Hebammen … die Frauenhäuser. Verdammt noch mal. Da irgendwo musste doch eine Spur auffindbar sein! Sie nahm das Gesicht in beide Hände und drückte mit den Fingern gegen die Schläfen, um sie zu massieren.
Katharina hörte, wie die Zimmertür geöffnet und wieder geschlossen wurde. Kurze Zeit später wiederholte sich der Vorgang und ein wunderbarer Kaffeeduft zog in Katharinas Nase. Sie öffnete ihre Augen. Ihr guter Freund Thomas saß seitlich auf ihrem Tisch und hielt ihr eine Tasse entgegen.
„ Trink und danach geh heim und leg dich hin. In der Verfassung nutzt du uns überhaupt nichts.“
„ Du hast ja recht“, gab Katharina kleinlaut zu und nippte an dem heißen Getränk.
„ Hast du was Neues herausgefunden?“, fragte er.
Sie fasste die Gespräche mit wenigen Worten zusammen. Über ihr seltsames Empfinden vor dem Auto verlor sie jedoch kein Wort.
Nach einem kurzen Telefonat wurde sie von Philipp abgeholt. Der schnelle Blickwechsel zwischen den beiden Männern sowie deren hochgezogene Augenbrauen entgingen ihr nicht.
„ Ich ruf dich heute Abend an“, meinte sie beim Gehen.
„ Nein. Tust du nicht. Wenn Zilinski etwas Wichtiges gefunden hätte, wüssten wir schon Bescheid. Und morgen bleibst du daheim. Ich will dich vor Montag nicht mehr hier sehen!“
Relativ kleinlaut und mit eingesunkenen Schultern folgte sie ihrem Lebensgefährten ans Auto.
Nachdem Katharina einen warmen Spitzwegerichtee mit Honig getrunken, ihr Antibiotikum und ein Schmerzmittel einge nommen hatte, ging sie ins Bett. Sie fühlte sich total ausgelaugt. Fix und fertig. Ein Blick in den Spiegel ließ sie zusammen zucken. Ihre hellblonden Haare hingen glanzlos herab. Dunkle Ringe umgaben ihre Augen. Sie hatte sich doch zu viel zugemutet. Aber sie hasste es, schwach zu sein. Obwohl ihr niemand Schwäche vorwerfen würde.
Philipp küsste sie zärtlich und verzog sich ins Wohnzimmer. Katharina schlief schon, bevor er das Schlafzimmer verlassen hatte.
Montag 19.12. 201 1
Die Blonde kam ins Zimmer und legte einen Stapel Zeit schriften auf den Tisch.
„ Hallo. Schön, dich zu sehen“, wurde sie von Kira begrüßt. Doch die Blonde tat, als hätte sie nichts gehört. „ Du verstehst mich doch bestimmt.“ Wieder keine Reaktion. „ Hey. Ich flippe hier bald aus. Bin kurz vor dem Durchdrehen. Mit irgendwem muss ich mich doch auch mal unterhalten können. Mit jemand normalem.“ Ihre Stimme brach. Schließlich flüsterte sie nur noch erstickt. „Und die da draußen, oder wo auch immer sie sind, du weißt, wen ich meine, die sind doch alles andere als normal.“ Kira kämpfte schon wieder gegen ihre Tränen an.
„ Rede doch bitte mit mir. Ich drehe hier noch durch. Was wollen die von mir?“ Die Blonde ging zur Tür und schloss sie wieder auf. „ Bleib doch bitte noch. Bitte! Und sag mir, welche Frau neulich so geschrien hat, und warum.“
Jetzt zuckte die Blonde zusammen. Ihr Blick glitt gehetzt durch den Raum,
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