Rücksichtslos
blieb kurz an Kira und an der Kamera hängen. Hoffnung keimte in Kira auf. Sie starrte die andere erwartungsvoll an. Doch nach einigen Sekunden, die ihr un heimlich lang erschienen, schüttelte die Blonde kaum merklich den Kopf. Ihre Blicke verbanden sich kurz miteinander. Und das, was Kira in einem Sekundenbruchteil in diesen Augen lesen konnte, brachte sie an den Rand des Wahnsinns. Panik machte sich in ihr breit. Das Nächste, was sie bewusst wahr nahm, war das Geräusch der zufallenden Tür. Sie war wieder allein. Sie, ihr Ungeborenes und ihre grenzenlose Angst.
Donnerstag 22.12. 201 1
Nach einem anstrengenden Arbeitstag, leider ohne neue Erkenntnisse, wurde Katharina vor der Kriminaldirektion von Philipp erwartet. Schon am Morgen hatte er ihr die Frustration über die einschlafenden Ermittlungen angemerkt. Keiner schien sich mehr für die Toten zu interessieren. Oder vielmehr, es wollte sich niemand interessieren. Alle waren mit ihren Gedanken bei Weihnachten. Da störten die Gedanken an ermordete Frauen. Jeder versuchte, sich auf ein paar Tage ‚ heile Welt ‘ einzustimmen.
„ Schön, dass du mich abholst . “
„ Das hoffe ich doch.“
Er nahm ihren Arm, hakte ihn unter und führte Katharina zur U-Bahnstation.
„ Gehen wir noch nicht heim?“
„ Nein. Noch nicht.“
Zwanzig Minuten später standen sie auf dem Weihnachts markt vor dem Römer. Kitschig sanken einzelne Schnee flocken vom Himmel. Doch anstatt, dass sie sich ruhiger fühlte, wurde sie von einer ihr wohl bekannten inneren Unruhe ergriffen. Philipp bugsierte sie beide durch die Menschen menge bis sie an einer freien Stelle ein Plätzchen fanden. Katharina lehnte sich mit dem Rücken gegen Philipp und beobachtete den Trubel. Weihnachtliche Musik schallte über den Platz und alle Passanten sahen fröhlich aus. Dennoch war Katharina nicht in der Lage, sich zu entspannen, da sie von einer unbestimmten Vorahnung aufgewühlt wurde.
Freitag 23.12. 201 1
Katharina erwachte und fühlte sich gut. Ausgeruht und nicht mehr erschöpft. Das ungute Gefühl vom Vorabend war wie weggeblasen. Es war der Tag vor Heiligabend. Augenblicklich fühlte sie kindliche Vorfreude in sich aufsteigen und ein leises Kichern entwich ihrer Kehle.
Gut gelaunt betrat Katharina die Küche, in der es bereits herrlich nach Kaffee duftete. Philipp war bereits auf und hatte schon frische Brötchen geholt. Sie begrüßte ihn mit einem Kuss und setzte sich an den Tisch. In dem Moment klingelte das Telefon und Philipp nahm ab. Augenblicklich wurde seine Miene ernst.
„ Es ist Thomas“, meinte er und reichte ihr den Apparat.
„ Guten Morgen , Thomas . Was gibt’s?“
„ Mir wurde gerade der Anruf einer Frau durchgestellt, die eigentlich dich sprechen wollte. Sie war verunsichert, da ich das Gespräch entgegengenommen habe. Zudem flüsterte sie die ganze Zeit, sodass ich auch nicht alles verstanden habe. Aber sie erwartet dich in einer Stunde im Grüneburgpark.“
„ Warum?“
„ Wegen der toten Frauen. Mehr sagte sie nicht, sondern legte einfach auf.“
„ Und wo genau wartet sie auf mich?“
„ Das hat sie nicht gesagt. Aber sie will dich allein sprechen.“
„ Seltsam.“
„ Wir behalten dich im Blick. So, dass es nicht auffällt.“
„ Okay, ich mach mich fertig.“
Katharina legte nachdenklich auf und klärte Philipp kurz auf. Als sie aufspringen wollte, wurde sie jedoch von Philipp zurückgehalten.
„ Ohne etwas zu essen, gehst du nirgendwo hin.“
Eine halbe Stunde später verließ Katharina das Haus und lief zügig in Richtung Grüneburgpark. Auf der gegenüberliegenden Straßen seite erkannte sie Thomas, der mit Alfred scheinbar in ein Gespräch vertieft war. Letzterer blickte ganz kurz zu ihr, damit sie wusste, dass alle parat standen. Als Katharina den verschneiten Parkweg betrat, machte sich eine ungewohnte Beklemmung in ihr breit. Nervös blickte sie sich um, konnte jedoch niemanden sehen. Normalerweise war hier mehr los. Die ungewohnte Leere des Parks verstärkte ihr ungutes Gefühl. Auf dem Weg befanden sich etliche Spuren, sie konnte jedoch nicht sagen, welche frisch und welche älter waren. Unentschlossen wippte sie hin und her, dann wandte sie sich langsam nach rechts. Eigentlich liebte sie den Grüneburgpark, eine Oase inmitten dieser turbulenten Großstadt. Normaler weise konnte sie hier komplett abschalten und ihren Gedanken freien Lauf lassen. Doch heute war sie situationsbedingt fürchterlich angespannt. Je weiter sie
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