Rückwärtsleben: Roman (German Edition)
Tag und Nacht
Wenn du nachts nicht schlafen kannst/Und die Straßenlampen boshaft grell scheinen/Gibst du den Dämonen eine Chance/
Dann bitten sich dich zu einem unfrohen Tanz/Auf Wegen, die du nicht gegangen/Vorbei an Worten, die du hättest sagen müssen/Zu den Chancen, die du verpasst/Und dem Erfolg, den du nie gekostet hast/Manchmal kann ich nicht da sein/Um diese Gedanken zu verscheuchen/
Aber vergiss nicht/Auf jede Nacht folgt wieder ein Tag
Ich weiß, wie es ist/Wenn das Tageslicht kommt und dir deine Träume raubt/Du bist wieder am Anfang/Vor dir liegt ein Tag voll Qualen, die dir das Herz schwer machen/Und es fühlt sich an, als würde sich nichts verändern/Doch allmählich wird die Erleichterung kommen/Lass dich nicht blenden von kurzfristigen Sorgen/Bald liegen sie hinter dir/Manchmal kann ich nicht da sein etc.
In diesem berührenden Text spricht Patsy davon, wie sehr sie Stevens wackliges Selbstbewusstsein stärken muss. Wahrscheinlich ausgelöst von einer fünftägigen Trennung, als Patsy auf Tour war und Steven zu Hause blieb. In dieser Zeit wurde Steven von Selbstzweifeln geplagt; seine Arbeit belastete ihn, und er hatte spätnachts mehrere schwierige Telefonate mit seiner Frau. Patsy beweist, wie gut sie sich in Stevens Ängste einfühlen kann – der immer noch glaubt, privat und beruflich etwas beweisen zu müssen. Ihre unterstützende Botschaft ist zugleich liebevoll und mitreißend optimistisch.
Patsy zeigt hier, wie gut sie Neils Qualen versteht, der Patsy seine Liebe nicht beweisen kann, außer in der geheimen Korrespondenz mit ihr, und allein mit dem unerfüllten Leben zurechtkommen muss, das er weiterhin führt. Patsy weiß, wie sehr Neil leidet, und bietet ihm Trost: »Bald« wird er Gelegenheit haben, ihre Zärtlichkeit aus erster Hand zu erleben.
(4) Nichts hat einen Sinn
Heute ging die Sonne nicht auf/Zum ersten Mal überhaupt, heißt es im Wetterbericht/Nur eine kleine Panne, sagen sie/Wir sollen nicht denken, dass die Welt tot ist/Wenn du das gesehen hättest/Aber viel zu sehen gibt es sowieso nicht/Und nichts hat einen Sinn für mich
In den Nachrichten heute war ein Mann/Der nur mit den Armen fliegen kann/Schwebende Autos über dem Highway/Schweine und Kühe, die von Farmen abheben/Aber im Moment will ich nicht fliegen/Freisein interessiert mich nicht/Nichts hat einen Sinn für mich
Hier schildert Patsy die Kehrseite der Geschichte, die sich um ihre eigenen Einsamkeitsgefühle ohne Steven dreht. Anlass war wahrscheinlich Stevens Reise nach Maryland, um eine vielversprechende neue Gruppe zu sehen. In seiner Abwesenheit hörte Patsy Meldungen in den Nachrichten, die sie zu Songs hätten inspirieren können, doch ohne ihren Mann als Anker war es ihr unmöglich, sich aufs Schreiben zu konzentrieren.
Patsys bekennt die Einsamkeit, die sie während einer erzwungenen Trennung von Neil empfand. Diese ging zwar von ihr aus, doch der Text beweist, wie sehr es sie verunsicherte, dass sie nicht wusste, wann sie Neil wiedersehen würde. Diese Verunsicherung ging so weit, dass sie für kurze Zeit jedes Interesse an der Welt verlor.
Neil analysierte Patsys Songs mit bemerkenswerter Sicherheit. Eine nikotinfleckige Hand steckte in der Tasche, während die andere hin und her schwirrte über das vertraute Terrain des Textblatts. Das Selbstbewusstsein, mit dem er sich äußerte, war zwar beunruhigend, aber zugleich auch rührend, als würde ein Kind einen unsichtbaren Freund beschreiben. Fast hätte ich ihm zugestimmt, als er für Patsys Ehe eine flotte Prognose abgab: »Ist doch klar, dass sie von diesem Langweiler wegwill … Nur eine Frage der Zeit, dann machen wir zusammen einen Neuanfang.« Doch es gab auch Grund zu echter Sorge: Viele besessene Fans haben schon ihre Idole verfolgt, entführt oder sogar ermordet, nur um eine kleine Statistenrolle in dem von ihnen so eifrig beobachteten Leben spielen zu können. 8 Auf den ersten Blick zeigte Neil zwar keine Anzeichen einer Psychose – er war kein verwirrter Fan, der Aufnahmen rückwärts abspielte, um auf Spuren seines Namens zu stoßen –, doch es bestand kein Zweifel, dass er eine Bedrohung für die Ehe darstellte, wenn auch vielleicht nur als Katalysator für eine gefährliche Überreaktion Stevens oder für einen vertrauenerschütternden Streit. Neils nächster Brief konnte jederzeit kommen, und nach Patsys Darstellung gewannen seine Mitteilungen von Mal zu Mal an Intensität. Was als sanfte, einseitige Brieffreundschaft begonnen hatte,
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