Rückwärtsleben: Roman (German Edition)
zufälligerweise sind ausgerechnet zwei Ausnahmen wesentliche Bausteine der Gesamtgeschichte und können nicht weggelassen werden. Wenn mir mehr Platz zur Verfügung stünde, könnte ich beliebig viele Fälle anführen, die ich mit vollkommener Professionalität gemeistert habe, aber das wäre (wie Richard vor Beginn meiner Niederschrift so treffend bemerkte) nicht unbedingt verkaufsfördernd. Wenn meine Aufrichtigkeit also darauf hinausläuft, dass dieses Buch und im Nachhinein auch meine Karriere als amüsante Aneinandereihung von Episoden slapstickhafter Inkompetenz erscheinen, wie die Bilder von einem Baseballspieler, der von einem Wurf in die Genitalien getroffen wird, dann habe ich hoffentlich wenigstens etwas zur Unterhaltung meiner Leser beigetragen.
In Mackensies sowjetischer Inszenierung entriss der mörderische Macbeth Duncan, einem Kommunisten der alten Schule, die Macht über die Partei und beseitigte dann mit durchtriebenen Intrigen seine Rivalen, ehe er von jenen Freunden zu Fall gebracht wurde, die er bei seinem Aufstieg verraten hatte. Die drei Hexen fungierten als Macbeths politische Berater, die sich letztlich als Doppelagenten im Dienst eines ausländischen Feindes entpuppten. Lily war die verschlossene politische Witwe, die vor unterdrückter Leidenschaft kochte und deren Selbstmord einen dunklen Triumph der Reglementierung über die Offenheit darstellte. Macbeths Liquidierung besorgte ein einsamer Attentäter in einem Hotelzimmer. Es wäre ein Wunder gewesen, so etwas ohne große Änderungen am Text hinzubekommen, und so hatte sich Julian Mackensie die üblichen Freiheiten mit dem Werk erlaubt; gelegentlich hatte er fadenscheinige Jargonausdrücke wie »Genosse« eingefügt und aus der betrunkenen Tirade des Pförtners eine Hymne auf Wodka gemacht. In seinen Regieanmerkungen erklärte Julian den angestrebten Ton als »unendlich verspielt und zugleich grimmig ernst, voller Respekt für den strengen Glanz der politischen Tradition Russlands, aber kritisch gegen deren Exzesse«. Für mich klang das nach dem Versuch, sich nach allen Seiten abzusichern; ich kannte Diagnosen (und hatte sie sogar manchmal selbst geschrieben), die auf einen ähnlich umfassenden Schutz ausgelegt waren. Jedenfalls fügte sich Macbeths Behauptung, dass die Hexen »nicht schlimm, nicht gut sein« konnten, nahtlos in das Ganze. Im Grunde genommen war es auch eine treffende Beschreibung der Inszenierung.
Doch wie bei vielen im Publikum galt mein eigentliches Interesse der schlanken Gestalt, die zuerst in einem weißen Morgenmantel auftrat und mit einer Stimme so kalt und klar wie Wasser Macbeths Brief vorlas. Irgendwie hatte ich erwartet, dass sie im gleißenden Rampenlicht schrumpfen würde, doch voller Erleichterung stellte ich fest, dass Lily an diesem Abend keine Spur von Angst zeigte. Ich spreche ohne jede Voreingenommenheit (und auf die Gefahr hin, meine früheren Elogen auf Patsy DiMarco zu wiederholen und herabzuwürdigen), wenn ich sage, dass sie eine überaus beeindruckende Bühnenkünstlerin war. Sie glitt durch die Verse, während andere holperten, falsch betonten oder übertrieben. Ihre Szenen mit Robert Langley waren sinnlich und verstörend, ihr Zusammenbruch überzeugend, ohne auf den Aufruhr in ihrem realen Leben zu deuten. Obwohl ich inzwischen sicher war, dass dies einer ihrer »guten Abende« war, hielt ich weiter den Atem an, wenn eine Szene mit Lily bevorstand. Doch das war unnötig: Heute gab es keine nervenaufreibenden Absenzen.
Nach ihrem letzten Auftritt stieß das Publikum einen leisen Seufzer, gemischt aus Erleichterung und Enttäuschung aus, und es entstand ein verräterisches Rascheln, da das ältere Paar hinter mir vorzeitig seine Plätze räumte. Als sich die Schauspieler mit gespielt widerstrebenden Gesten vor dem Vorhang versammelten, führte der schwitzende Robert Langley Lily mit einem Ausdruck herablassender Zuneigung nach vorn wie ein Ehemann, der seiner Frau zu einem gelungenen Abendessen gratuliert. Ich rechnete mit Anerkennung für eine fesselnde Vorstellung, die trotz des erheblichen, sicherlich teilweise selbst verschuldeten Drucks zustande gekommen war. Doch in den reichen Beifall und den gutmütigen Jubel mischte sich, wie mir schien, auch ein Unterton von Zynismus, als würde das Publikum sich nicht für gute Unterhaltung bedanken, sondern Lily mit seiner Unterstützung einen Gefallen erweisen. Wie schon bei Patsys Konzert vor drei Jahren hatte ich den flüchtigen Eindruck
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