Rückwärtsleben: Roman (German Edition)
und lehnte sich erschöpft zurück ans Bettgestell.
»Tja, da war er wieder«, bemerkte sie schließlich.
»Der gleiche wie immer?«, fragte ich verlegen.
»Ja, der gleiche.«
»Auch die Warnung, dass du mit dem Stück aufhören sollst?«
»Ja. Sie haben gesagt, dass bald was Furchtbares passiert.«
»Es wäre hilfreich, wenn sie den genauen Tag nennen könnten.« Diese unangebrachte Äußerung war mir einfach so herausgerutscht, und ich versuchte sofort, den Schaden wiedergutzumachen. »Damit wollte ich nicht andeuten …«
»Nimmst du mich nicht ernst?« Ihre Kraft reichte nicht ganz für echten Zorn, aber dafür, dass mich die Reue packte. »Warum bist du dann hier? Nur um bei mir zu schlafen?«
»Deswegen bin ich überhaupt nicht hier.«
»So behandelst du also deine Patienten?« Mit ausladender Geste deutete sie auf das Schlafzimmer. Das brachte mich aus der Fassung und sie wohl auch. Stille entstand.
»Morgen heilen wir dich«, beteuerte ich überstürzt.
»Und wie soll das gehen?« Die Härte in ihrer Stimme ließ bereits nach, doch ich fühlte mich verpflichtet, mit fachlicher Kompetenz einen Weg zu ihrer Befreiung aufzuzeigen.
»Ich werde dich hypnotisieren.« Diese Ankündigung brachte mich selbst ins Staunen.
»Funktioniert das?«
»Ich denke schon.« Was blieb mir anderes übrig, als die selbst gestellte Herausforderung anzunehmen? »Auf diese Weise kann ich dich dazu bringen, dass du mir erzählst, was diese Träume auslöst. Sie müssen irgendwo aus deinem Unbewussten kommen.«
»Und die Warnungen …?«
»Vielleicht finden wir auch darüber mehr heraus«, antwortete ich diplomatisch.
»Na ja, einen Versuch ist es wert. Hör zu, Pete, in ein paar Tagen kommen die Leute vom Film, die mich beobachten wollen.« Der geschäftsmäßige Ton bildete einen scharfen Gegensatz zu der Szene: überall zerwühlte Laken, die Lily bei ihrem Gerangel mit den geheimnisvollen Traumgestalten von sich geschleudert hatte. »Ich muss wissen, ob ich weiter in dem Stück spielen kann. Ob es sicher ist.«
Ich wollte Einwände gegen dieses irrationale Gerede erheben, aber wir hatten bereits einen kleinen Schlagabtausch hinter uns, und darüber hinaus konnte sich die »Prophezeiung« aus dem Traum leicht als selbsterfüllend erweisen. Wenn Lily bei der Überzeugung blieb, dass auf ihrer Mitwirkung an dem Stück ein Fluch lastete, würde ihre schauspielerische Leistung weiter darunter leiden. Sie lief Gefahr, mit einer neuerlichen Angstattacke ihren großen Auftritt vor den Filmmogulen zu verderben. Damit stand fest, dass es ein Rennen gegen die Zeit war. Mit der Hypnose begann die nächste Runde.
Lily, die mir am nächsten Tag im Wohnzimmer bei abgeschaltetem Telefon und zugezogenen Vorhängen ruhig gegenübersaß, war eine äußerst leicht hypnotisierbare Versuchsperson. Ich hatte mir Sorgen gemacht, dass sie sich aufgrund ihrer mystischen Neigungen vielleicht etwas wie einen Kontakt zum »Jenseits« vorstellte, doch sie war vollkommen konzentriert und folgte meinen Anweisungen rasch und genau, als wäre sie bei einer Theaterprobe. Schon nach kurzer Zeit fiel sie in Trance, und ich konditionierte sie in der üblichen Weise darauf, nur auf bestimmte Kommandos zu reagieren. Als in der Wohnung nebenan kurz ein Feueralarm anschlug, zuckte sie mit keinem Muskel.
Ihr Gesicht war ausdruckslos und wartete darauf, als Filter für Signale aus unbekannten Regionen zu fungieren. »Lass dich einfach in deinen Traum gleiten«, forderte ich sie in sanftem Ton auf. »Hab keine Angst, diesmal gehst du freiwillig hinein.«
Eine Hypnose hat deutliche Ähnlichkeit mit einem Traum. Unter anderem wird sie beschrieben als »eine Art interaktiver Traumzustand, in dem die Versuchsperson einer Figur in einem Videospiel ähnelt, das der Hypnotiseur spielt«. 17 Unter diesen kontrollierten Umständen hoffte ich, Lily durch ihr Unbewusstes führen und alles durch ein klares Fenster beobachten zu können statt durch die verzerrende Linse der Traumlogik. Es war wie der Besuch eines unheimlichen Waldstücks, das man einmal bei Nacht betreten hat, das jedoch bei Tageslicht fast enttäuschend frei von Gefahren erscheint.
Lily war im Guten wie im Schlechten eine natürliche Träumerin, und schon nach zwanzig Minuten sank sie in einen Traumzustand, der so tief war wie REM -Schlaf. Die Bandaufnahme, die dies belegt, besitze ich noch, und wie seltsam Lilys Bericht von der anderen Seite auch anmuten mag, niemand, der ihn hört, wird seine
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