Rückwärtsleben: Roman (German Edition)
Anerkennung über den Psychotherapeuten, der ihr dabei geholfen hat, das Lampenfieber zu überwinden, das sie bei Julian Mackensies Inszenierung von Macbeth heimgesucht hatte. Nach einer Reihe von erschreckenden Vorfällen und mehreren durchwachsenen Auftritten hatte Miss Ripley befürchtet, dass die Produktion verflucht sei. Doch der Top-Psychiater Peter Kristal, der vor drei Jahren Patsy DiMarco mit der Komposition eines Songs von einem Stalker erlöste, konnte in nur einer Woche mit fernöstlichen spirituellen Techniken wie Hypnose und Energiekerzen Miss Ripleys Selbstvertrauen wiederherstellen. »Ich möchte hier nicht in die Details gehen, aber er hat mir wirklich geholfen, mit einigen Dingen aus der Vergangenheit fertigzuwerden«, sagte sie. Kristal, der in Chicago praktiziert und ein Schulfreund des TV-Experten Dr. Richard Aloisi ist, verfolgte mit eigenen Augen, wie Miss Ripley am Freitagabend ihre bis dato beste Leistung ablieferte – weniger als vierundzwanzig Stunden nach der letzten Sitzung, in der Kristal ein psychisches Reinigungsritual mit ihr vorgenommen hatte. Gerüchten zufolge liegt ihr im Augenblick ein Rollenangebot für die nächste Folge von Zurück in die Zukunft vor. Alle restlichen Termine von Macbeth im russischen Stil sind ausverkauft, aber die Verantwortlichen des Charterhouse haben verlauten lassen, dass es eine Sonderaufführung für alle geben wird, die eine Karte zu der am Donnerstag abgesagten Vorstellung besitzen.
Es stimmte, sie war fabelhaft. Mit einer Mischung aus Stolz und Wehmut beobachtete ich, wie sie die faszinierende Darbietung einer von allen Hemmungen befreiten Schauspielerin bot. So viel hatte ich auf jeden Fall erreicht. In einer besonders sinnlichen Szene mit Macbeth fing ich ihren Blick auf, und wir teilten einen blitzartigen Moment des Triumphs. Diesmal erntete sie wirklich bedingungslose Ovationen. Hatten die Zuschauer ihren Applaus zuvor mit unausgesprochenen Vorbehalten gespendet, zeigten sie sich jetzt umso großzügiger, weil sie wohl spürten, was für ein Wechselbad der Gefühle Lily hinter sich hatte. Jubel und Schreie erklangen, als sie lächelnd mit ihrem Partner Robert nach vorn trat, der sichtlich unzufriedener war als bei früheren Auftritten, nach denen er sich in der Publikumsgunst gesonnt hatte. Er hatte nichts falsch gemacht, aber es war einfach Lilys Abend. Auf der Suche nach den Filmleuten glitt mein Blick über die begeisterten Gesichter, doch ich sah nur die dicke Frau, die beim letzten Mal zu den Schwarzmalern gehört hatte und jetzt ihren Programmzettel zu einem Sprachrohr zusammenrollte, um ihrem tauben Begleiter ins Ohr zu brüllen: »Was die mit ihrem Gesicht macht … das ist wirklich was Besonderes!« Ich musste ihr zustimmen.
Bei der Feier nach der Vorstellung hatte ich zum letzten Mal Gelegenheit, diesem Gesicht zu begegnen. Trotz der Dankesworte des schon bald betrunkenen Julian Mackensie und der geheuchelten Herzlichkeit einiger Mimen fühlte ich mich zwischen den ausgelassenen, von der eigenen Unvergleichlichkeit überzeugten Theaterleuten schrecklich fehl am Platz. Es gab nur zwei Highlights: zunächst ein Kartenspiel, bei dem ich dem arroganten Hausmeister, der sich als großzügiger, geselliger Mann entpuppte, fünfzig Dollar abnahm (ich gab ihm das Geld später zurück), und später ein von mir belauschtes Gespräch zwischen zwei von Lilys Kollegen, das sich um den Umschwung ihrer Laune und Form drehte.
»Ich hab gehört, der Seelenklempner hat ein wahres Wunder an ihr vollbracht«, meinte einer.
»Wer war es? Der da?«
Als ich mich umdrehte, bemerkte ich, dass der Finger nicht auf mich deutete, sondern über meine Schulter auf Richard, der den Arm um Lily gelegt hatte, während Donna gerade mit einem fast überfließenden Getränk zurückkehrte.
»Das war ich.« Ich musste es einfach sagen.
»Gut gemacht!«, riefen beide, und ich war lächerlich stolz wie auf eine echte fachliche Glanzleistung. Nur ein Mann konnte diesem Stolz einen Dämpfer versetzen.
»Anscheinend hat dir Lily das von gestern Abend verziehen«, bemerkte ich trocken, als Richard herübergeschlendert kam.
»Gestern Abend …?« Dann fiel es ihm wieder ein. »Ach, du meinst, dass ich die Zweitbesetzung erwähnt habe! Aber das war doch umgekehrte Psychologie vom Feinsten!«, grinste er.
»Umgekehrte Psychologie?« Damals war das noch kein geläufiger Begriff. Möglicherweise hat er ihn sogar erfunden.
»Ich wusste, man muss ihre niedrigsten Instinkte
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