Rückwärtsleben: Roman (German Edition)
überraschte seine Eltern »dabei«, als er fünfzehn war. Als er das vor Kurzem im Radio erwähnte, war ich erleichtert, dass mir so was nie passiert ist, aber ich glaube, es hätte vielleicht geholfen. So wie ich Richards Eltern kenne, war es wahrscheinlich Absicht, um ihn zu »befreien« oder so. Sie haben ihm ja dieses Sexbuch gekauft, als wir ungefähr vier waren. Echt krank!
Die Rede kam auch auf ihn – alle haben von seinen Glanzleistungen gehört. Im Vergleich dazu klingt meine Karriere ziemlich lahm, aber Mum trat für mich ein. Die Familie geht für sie über alles.
EREIGNISSE
Wir machten ein Scharadenspiel, das trotz anfänglicher Fröhlichkeit bald ermüdend wurde. Mich beschlich eine vage Ahnung, dass es so an Weihnachten in einem Altenheim zugehen könnte. Aber ich glaube, Dad hatte Spaß, auf jeden Fall war er sehr stolz, als er es schaffte, »Attacke der Zwanzig-Meter-Frau« zu mimen.
1975
GESCHENKE
Einige Bücher, unter anderem Ich bin o.k. – Du bist o.k. und Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten , das alle lieben. Ich habe es schon durchgelesen und fand es zum größten Teil Quatsch. Endlose Spekulationen und philosophischer Jargon – abgehobenes Zeug, das keiner braucht. Und dass der Typ ständig mit seinem Sohn ankommt, geht einem mit der Zeit nur noch auf den Wecker. Vielleicht findet man es besser, wenn man ein Motorrad hat.
KONVERSATION
Dad wurde in diesem Jahr fünfzig, da gab es natürlich viel Gefrotzel. Tom fand es erstaunlich, dass er am Morgen überhaupt noch aus dem Bett kommt. Frank machte ein oder zwei anzügliche Witze über die nachlassenden Kräfte seines Bruders und eine geschmacklose Bemerkung über die Sterblichkeit: »Wer muss als Erster abtreten? Wen erwischt es zuerst?« Dann forderte er Dad und Tom zum Armdrücken heraus, wie um die Frage zu klären. Im Vergleich zu Frank und Tom wirkt Dad immer noch jung. Kalauer über meine Karriere gab es diesmal keine. Da ich in den USA geblieben bin, sind sie anscheinend überzeugt, dass doch was Vernünftiges aus mir wird.
EREIGNISSE
Heute Abend hatte ich ganz schlechte Laune und trank ziemlich viel Whisky, um sie abzuschütteln. Nachdem ich die ersten dreißig Seiten von Ich bin o.k. – Du bist o.k. gelesen hatte, fragte ich mich, ob ich was verpasst hatte. Darin geht es um etwas mit dem Namen »Transaktionsanalyse«, und soweit ich das erkennen kann, kommt es dem Typen vor allem darauf an, dass jede Unterhaltung oder Beziehung eine »Transaktion« ist, bei der alle Beteiligten irgendwas wollen, und wenn sie das Gewünschte kriegen, ist es eine »erfolgreiche Transaktion«. Im Grunde sagt er nur, dass es gut ist, wenn es für beide Beteiligten okay ist. Um auf so was zu kommen, muss man doch kein Buch lesen.
1976
GESCHENKE
Eine neue Nadel für den Plattenspieler – ziemlich lustig, weil ich Dad genau das Gleiche besorgt habe.
KONVERSATION
Dieses Jahr hatte ich damit gerechnet, dass über meine Karriere geredet wird, da ich inzwischen recht gut verdiene und ganz allgemein aufgestiegen bin; also war ich bereit, Bescheidenheit an den Tag zu legen. Doch wie sich herausstellt, haben Steve und Jemima wieder mal was zu feiern. Das von ihm trainierte U18-Fußballteam hat einen Pokal oder den Nobelpreis oder irgendwas gewonnen, und er selbst bekam einen Preis für Verdienste um den Jugendsport. Ich sollte nicht so bitter gegenüber Steve sein. Wahrscheinlich erinnert er mich nur an etwas, das ich auch gern wäre. So wie Richard.
EREIGNISSE
Gleich nach dem Festmahl brach ich zu einem langen Spaziergang auf. Ich ahnte bereits, dass das ein Weihnachten wird, an dem nach dem Essen alle ins Koma fallen. Der Gerechtigkeit halber muss gesagt werden, dass wohl kaum etwas anderes zu erwarten war, da bis auf S+J alle schon über fünfzig sind (ausgenommen Sally, die erst nächstes Jahr fünfzig wird, glaube ich). Ich wünschte mir jemanden in meinem Alter. Am liebsten Johnny, aber ich habe schon seit Jahren nichts mehr von ihm gehört. Nächstes Weihnachten möchte ich einen richtigen Versuch machen. Ich werde Tom fragen, wo sich sein Sohn gerade herumtreibt, und selbst wenn er im Dschungel sitzt, werde ich ihm einen Brief schreiben. Dieses Jahr musste ich an ihn denken, weil einige Marines, die in Irland stationiert waren, wegen mentaler Beeinträchtigungen auf Entschädigung drängten. Richard wurde in einer Talkshow nach seiner Meinung gefragt.
Als ich von meinem Spaziergang zurückkam – ich war zu dem Waldstück
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