Rückwärtsleben: Roman (German Edition)
was ich nach dem Studienabschluss in Michigan vorhabe. Ich versuchte, überzeugende Antworten zu geben.
EREIGNISSE
Ich weiß nicht, wann Weihnachten so öde geworden ist. Ich habe zwar Bücher, aber ich kann eigentlich keines davon anfangen, weil ich so viel für das Studium lesen muss. Dad und Mum verschliefen fast den ganzen Nachmittag. Auf einmal sehen sie ziemlich alt aus, wie Senioren, die im Park eindösen, dabei sind sie in Wirklichkeit noch relativ jung. Ich war froh, als es dieses Jahr vorbei war. Den Abend habe ich mit Lernen verbracht.
1972
GESCHENKE
Eine Uhr von Mum und Dad – seltsam, weil ich vom vorrückenden Alter schrieb, als ich dieses Buch zum letzten Mal vor mir hatte. Sie kommt auf meinen Schreibtisch. Und ich besorge mir noch eine für die Wand, sobald ich Redakteur beim Journal bin.
KONVERSATION
David Bowie (Dad und ich sind uns nicht sicher, was wir von ihm halten sollen) und andere neue Musiker. Tom und Frank meinten, dass man sich moderne Musik überhaupt nicht anhören kann. Dad sagte nichts zu dem Thema – was mir gefallen hat. Es ist traurig, wie man Frank und Tom ihr Alter anmerkt; sie waren zwar schon immer irgendwie die falsche Generation für Rock’n’Roll, aber auch sie waren doch einmal junge Männer mit einem Hunger auf Neues; jetzt ist das Neue nur noch eine Bedrohung für sie. Aber wahrscheinlich war Dad (der Jüngste) schon immer der Mutigste von den Brüdern. Manchmal ziehen sie ihn noch damit auf. Tom gibt dann so was von sich wie: »Robert kann uns immer sagen, was gerade in Mode ist«, oder »Na ja, das ist eher Roberts Generation … Frank und ich haben nicht so gedacht, als wir jung waren.« Da zwischen Tom und Dad nur drei Jahre liegen, glaube ich, dass sich solche Bemerkungen auf Vorfälle vor meiner Geburt beziehen, einer von diesen Dauerwitzen, mit denen niemand anders was anfangen kann. Wahrscheinlich schützt sich Tom mit diesen Witzen vor der Tatsache, dass er mit den Jahren immer mehr den Anschluss verliert und dass sein einziger Sohn Gott weiß wo in irgendeinem Krieg ist.
EREIGNISSE
Gerade habe ich versucht, mit Mum über ihre Kindheit und ihre Verwandtschaft zu reden, die sie nicht mehr sieht. Aus keinem bestimmten Grund, ich dachte nur, lieber ein echtes Gespräch als ein weiteres Weihnachten vor dem Fernseher. Immer wenn ich eine tiefer gehende Unterhaltung mit Mum führe, ist es eine Riesenerleichterung, und ich merke, dass wir doch miteinander verwandt sind. Aber es ist furchtbar schwer, einen Anfang zu finden. Wie immer verhielt sie sich ausweichend, doch immerhin erwähnte sie ein paar Freunde, die sie vor Dad gehabt hat. Vor allem einem stand sie sehr nah. »Hätte leicht sein können, dass ich ihn heirate«, meinte sie. Das war so seltsam, dass ich gar nicht darüber nachdenken konnte. Dann hätte ich vielleicht eine vollkommen andere Persönlichkeit. Vielleicht hätte ich besser ausgesehen. Mum war wunderschön, nach ihrem Clubfoto zu urteilen – man erkennt es noch an ihren Augen und der Art, wie sie sich manchmal das Haar schneidet –, aber ich habe offenbar nicht viel von dieser Schönheit abbekommen.
1973
GESCHENKE
Eine neue Jacke und ein neuer Plattenspieler von Dad. Das ist wie ein Geschenk zum Erwachsenwerden. Das Eingeständnis, dass ich ab jetzt nicht mehr so oft zu Hause sein werde. Ich bin dabei, woanders Wurzeln zu schlagen. Das war nie so geplant, aber jetzt nimmt dieses neue Leben Konturen an.
KONVERSATION
Sprunghaft. Niemand hatte Lust, ein sinnvolles Gespräch zu beginnen. Angeblich tötet das Fernsehen die Fähigkeit, eine Unterhaltung zu führen. Vielleicht sollte ich dankbar sein, weil ich im Reden sowieso ziemlich schlecht bin. Aber im Fernsehen würde ich wohl auch keine gute Figur machen.
EREIGNISSE
Wir sahen ein Weihnachtskonzert – Dads Idee. Schöne Musik; Tom und Sally hielten sich beim Feuer an der Hand. Zum Teil vergaß ich alles um mich herum. Das erinnerte mich an die alten Zeiten zu Hause (ich habe Dad dieses Jahr die neue LP von James Taylor geschenkt, aber wir haben nicht mehr oft Gelegenheit, so wie früher zusammenzusitzen und Musik zu hören).
1974
GESCHENKE
Nur Krimskrams fürs Zuhause.
KONVERSATION
Meine Karriere. Alles sind ganz beeindruckt, dass was von mir veröffentlicht wurde, obwohl es nur albernes Zeug ist. Als ich die Sexumfrage erwähnte, wollten alle Einzelheiten hören, aber ich war merkwürdig verlegen vor Mum und Dad. Ich weiß nicht, wann ich das endlich überwinde. Richard
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