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Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Titel: Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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dazugehört.«
    »Eine schlechte Meinung von dir selbst «, führte sie den Satz zu Ende. »Allein die Vorstellung, ich würde mich von dir treten lassen! Also wirklich, James – und du nennst mich dumm?«
    Wieder betrachtete er das Glas in seiner Hand. Sehr hochwertiges Kristall, direkt aus Waterford – ein Produkt der erlesensten Grausamkeiten Englands gegen die Iren. Für so etwas kämpfte sein Vater in seinem endlosen Feldzug, das Streben der Iren nach Selbstverwaltung zu unterdrücken. Doch die abgeschrägten Kanten des Glases waren gar nicht so fein. Sie rieben an seinen überempfindlichen Fingerkuppen, als konzentrierte sich das Blut seines ganzen Körpers in seinen Händen und würde die Haut bis zur Unerträglichkeit dehnen. Das Gefühl hatte er schon einmal verspürt, als Junge in Nordengland. Es hatte geschneit und er und Stella waren herumgerannt, in selbst gebaute Iglus gekrochen und hatten Schneemänner gebaut, um den Teufel fernzuhalten. Wie durchgefroren sie gewesen waren, wie vergnügt und wie rosig ihre Wangen!
    Jenes kleine Mädchen lebte jetzt in einem Gefängnis, hinter Türschlössern, deren Schlüssel sie nicht besaß, unter ständiger Beobachtung, gehegt und gepflegt wie eine zahme Maus.
    »Ich brauche dich«, sagte sie. »Nicht für ihn. Für … mich selbst.«
    »Wie bedauernswert«, sagte er leise.
    Er hörte das Rascheln von Röcken, die ihren Geruch aufwirbelten, jene unverwechselbare Mischung aus Vanille und Veilchen, Lavendel und Rosen – ein wandelnder Garten mit einer Küche als Dreingabe, Gott schütze die Allergiker. »Ich bin bereit zu verhandeln«, sagte sie.
    Die Flüssigkeit schwappte auf seine Fingerknöchel. »Wie großzügig von dir. Aber ich empfehle dir, anderswo zu schachern.«
    »Oh.« Das leise Wort enthielt ein eigenartiges Stolpern. Er blickte auf und sah sofort, dass sie geweint hatte.
    Ihr Gesichtsausdruck bremste ihn. Eine unsichtbare Faust boxte ihm in die Rippen und griff nach seinem Herzen. Sie fesselte ihn auf seinem Platz, während er sie unverwandt anstarrte. Ihr dunkles Haar umgab ihr blasses Gesicht wie ein Heiligenschein, der veilchenblaue Himmel hinter ihr eine Flagge, die jede einzelne grauenvolle Erinnerung zeigte, mit der er möglichst nichts mehr zu tun haben wollte. »Gott«, sagte er und bemerkte erst, als das Wort an seine Ohren drang, dass seine Lippen sich überhaupt bewegt hatten. »Lydia … Himmelherrgott. Vergieß deine Tränen anderswo. Weine für jemanden, der umgestimmt werden will.«
    »Ich kann nichts dafür.« Sie senkte den Kopf. Und da war ihr Scheitel, schnurgerade, zart und weiß, der sich gegen die dunklen Wellen abhob und ihr Haar in der Mitte wie eine Friedensflagge durchteilte. Als sich ihre Stirn an sein Knie legte, blieb ihm die Luft weg. »Ich kann keinen von euch loslassen«, klagte sie mit leiser, unglücklicher Stimme. »Und ich weiß nicht, wie ich dir helfen soll.«
    Einen Augenblick lang glaubte er, sich verhört zu haben. Ihm helfen? Der Gedanke war so verwunderlich, dass er lachte. »Du bist doch in Schwierigkeiten«, sagte er. »Du bist doch wild entschlossen, dich um die Ecke bringen zu lassen. Da ich kein Interesse habe, Heiligenstatus zu erlangen, wirst du mir verzeihen, wenn ich mich von diesem Schauspiel abwende.«
    Sie blieb stumm. Er spürte ihren Atem, warm am Stoff seiner Hose, was sein Bewusstsein wieder auf den Körper richtete, auf die sterbliche Hülle, die er manchmal vergaß, wenn er Glück hatte. Auf den Teil von ihm, der solche Dinge spürte, Wärme, und Feuchtigkeit, und auch die Kälte. Er machte den Mund auf. Doch was gab es noch zu sagen? Das kannst du doch nicht ernst meinen. Oder Du willst mir helfen? Du brauchst doch selbst Hilfe. Vertrockneter, blutleerer Blaustrumpf.
    Oder auch das: Du bist alles, was ich brauche.
    Seine Lippen waren nicht dazu bereit. Er streckte die Hand aus … um ihre Haare zu berühren? Um ihren Scheitel nachzuziehen, der so unbeirrt durch ihre Haarwirbel schnitt? Das Wasser in seiner Hand zitterte wie die Beine eines unbedarften Mädchens bei seinem ersten Walzer. Er holte tief Luft und stellte das Glas auf den Weidentisch neben ihm. Seine Hand, die nun frei war, schwebte unsicher über ihrem Kopf. Ihr Gesicht war noch immer an ihn gepresst, ein steter Druck, keine Spur von Zögern oder Zweifel. »Du solltest vorsichtig sein«, murmelte er. »Spiel mir nicht solche Vorteile in die Hände.«
    »Ich vertraue dir.« Sie atmete hörbar zitternd ein. »Ich habe Vertrauen

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