Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)
du all deinen Mut zusammengerafft hättest, hätte ich dir verziehen. Es hätte mich zwar schrecklich verletzt, aber es wäre ja nicht deine Schuld gewesen, dass Georges Zuneigung auf dich umgeschwenkt war.«
Sophie war kreidebleich geworden. » Du hättest mir vielleicht verziehen«, sagte sie matt. »Aber Papa nicht. Er hätte es niemals erlaubt, Lydia.«
Sie schüttelte verwirrt den Kopf und begann langsam zu begreifen. »Du kannst doch nicht ernsthaft glauben, dass Papa dich von dieser Heirat abgehalten hätte!«
Sophie lächelte sie ungläubig an. »Mit dem Mann, in den sich seine süße kleine Lydia verliebt hatte? Natürlich. Daran habe ich keinerlei Zweifel.«
»Mein Gott.« Lydia schlug entsetzt die Hand vor den Mund. »Wie … schrecklich für dich. Aber er liebt dich doch. Du bist seine Tochter . Du … «
»Sprich nicht so herablassend mit mir!« Sophie sprang auf und lief mit großen Schritten um das Bett herum. »Und was ist mit dir? Vor der Hochzeit einfach so davonzulaufen! Hat Papa mich je wegen des Skandals getröstet, den du ausgelöst hast? Wegen der wissenden Blicke, mit denen wir bedacht wurden, und des Hohngelächters?«
»Was glaubst du, wer von diesen Blicken das meiste abbekommen hat? Ich!«
» Du ? Du warst für niemanden interessant genug, um dich auch nur eines Blickes zu würdigen! Ich war diejenige, die gelitten hat. Es hat die Hochzeit vollkommen überschattet! Alle haben nach dir gefragt, nach Papa und dabei schrecklich wissend gegrinst! Stell dir das nur vor: die Abwesenheit des eigenen Vaters erklären und lügen zu müssen, obwohl alle die wahre Geschichte kennen. Vielleicht hätte ich ihnen ja die Wahrheit sagen sollen: dass Papa, wenn es nach ihm ginge, nur eine Tochter hat – Ana und ich hingegen sind wie Waisen!«
Groß zu sein hatte auch seine Vorteile. Als Lydia sich erhob, musste Sophie zur ihr aufblicken, um ihr in die Augen zu sehen. »Ist das der wahre Grund für dein Handeln? Du wolltest dich an mir rächen, weil ich sein Liebling bin?« Als Sophie die Augen verdrehte, kam ihr noch eine weitere Eingebung. »Oder aber du wolltest seine ungeteilte Aufmerksamkeit«, sagte sie langsamer. »Das ist der Grund, nicht? Du kämst als Erste unter die Haube, was dich zu etwas Besonderem macht. Noch besser, du würdest den Mann lieben, von dem Papa wusste, dass ich mir Hoffnungen auf ihn mache. Was gäbe es für eine bessere Methode, seine Aufmerksamkeit zu erringen, als ihm zu zeigen, dass ein Mann dich für würdiger hielte als mich? Oh«, sagte sie leise. »Aber es lief nicht ganz nach Plan, nicht? Papa war bei mir. Er hat deinen Triumph nicht miterlebt.«
Sophie wich ihrem Blick aus und starrte ins Leere, während sie wieder aufs Bett sank. »Nein«, sagte sie, klang aber nicht überzeugend.
Lydias Nachsicht stieß zwar an ihre Grenzen, aber sie sagte die Wahrheit. »Papa wäre sehr gerne auf deiner Hochzeit gewesen. Er hat an dem Tag von nichts anderem als von dir gesprochen.« Er hatte unaufhörlich Geschichten aus ihrer und Sophies Kindheit erzählt, einer Zeit, als Sophie noch ihre beste Freundin gewesen war und sie sehr bewundert hatte.
» Einen Tag?« Sophie lachte auf. »Meine Güte! Wie großzügig von ihm.« Dann schüttelte sie leicht den Kopf und ließ die Schultern hängen. »Lydia … wirklich. Die ganze Sache war … eigentlich nicht dazu gedacht, dich zu verletzen. Das heißt … ich bin zwar manchmal wütend auf dich, aber ich weiß, dass das irrational ist. Welchen Grund habe ich schon, um dich zu beneiden? Im Grunde genommen keinen. Ich wäre nur äußerst ungern allein, auch wenn ich weiß, dass es dir nichts ausmacht«, fügte sie rasch hinzu, als Lydia sich ein ungläubiges Lächeln verkniff. »Aber ich bin anders als du. Ich könnte mich nie mit Büchern und Studien zufriedengeben. Und es würde mich grämen, wenn die Männer mich unattraktiv fänden. Ich halte mich deshalb nicht für oberflächlich. Es ist nichts Falsches daran, wenn es einem gefällt, umschwärmt zu sein.« Sie zögerte und fügte dann schulterzuckend hinzu: »Warum also sollte ich mich für Papa interessieren? Ich habe so viel, was du nicht hast. Vielleicht ist es da nur gerecht, dass du ihn hast.«
Lydia drehte sich um und lief zur Tür. Mit der Hand auf dem Griff sagte sie ganz ruhig: »Papa anderen zuzuteilen steht dir nicht zu, Sophie. Und wenn du dir einbildest, dass ich deiner Mildtätigkeit bedarf, dann hast du dich verrechnet. Du hast tatsächlich eine Menge, doch
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