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Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Titel: Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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zu starren, doch James (der ein Talent fürs Spielen hatte, aber leider keine Vorliebe dafür) hätte gewettet, dass er etwas ganz anderes sah. »Ich muss noch ein paar zähe Bedenken ausräumen«, fügte Phin hinzu. »Dann bin ich fertig.«
    Das darauf folgende Schweigen kam ihm vertraut vor. Und ziemlich langweilig. Bevor Phin außer Landes gegangen war, hatten sie stets offen und ehrlich über alle möglichen Themen gesprochen. Doch im Laufe der Zeit trübten seine ausweichenden und unklaren Antworten zunehmend ihre gemeinsamen Gespräche. Phin war nicht nur ein harmloser »Kartograf«. Das verstand James irgendwann. Doch was er genau für die Armee getan hatte, blieb undurchsichtig. Dieses neue unnahbare Verhalten war gleichermaßen rätselhaft. Was konnte einen Mann, der einst so versessen darauf gewesen war, die Welt kartografisch zu erfassen, dazu gebracht haben, dass er jetzt nur noch versuchte, durch sie hindurchzusehen? »Wenn du Hilfe brauchst«, sagte James, »lass es mich wissen.«
    Phin warf ihm einen Blick zu. »Danke.« Es war bezeichnend dafür, wie kühl er in letzter Zeit geworden war, dass James seine so offen gezeigte Dankbarkeit nun überraschte. »Versteh mich nicht falsch. Es ist schön, wieder zu Hause zu sein. Obwohl … « Er holte tief Luft. »Bisweilen kommt es mir schon ein wenig … surreal vor.« Er zuckte gleichgültig mit den Achseln. »Ich frage mich, wann sich das wieder gibt.«
    »Niemals, wenn du weiterhin diese abenteuerlichen Tränke herstellst. Der letzte hat mich fast um die Ecke gebracht.«
    Phin lachte. »Ja, starker Kaffee wäre eine bessere Idee. Ah – da kommt Elizabeth.« Mit einer geschmeidigen Bewegung erhob er sich und sprang vom Dach. Zu schnell mal wieder, denn er wollte ihm entkommen. Jedes Gespräch, das Phin zu persönlich wurde, schlug ihn in die Flucht wie eine Fuchsmeute einen Hasen. James’ erste Reaktion war, das als sehr vorteilhaft zu betrachten, was ihn wiederum leicht beunruhigte.
    Doch an einem so sonnigen, sorglosen Tag wollte er sich nicht von so etwas irritieren lassen und konzentrierte sich stattdessen auf den kleinen Fehltritt, der Phins Landung beeinträchtigte. Es war ganz schön weit bis zum Boden, und die meisten Leute hätten seine Ungeschicklichkeit sicher ignoriert. Aber Phin war sonst immer ausgesprochen elegant, mit einer körperlichen Selbstbeherrschung, die so vollkommen war, dass eine Ballerina neben ihm schwerfällig gewirkt hätte. »Alte Kriegsverletzung«, hatte Phin heute Morgen behauptet, als er in ähnlicher Weise vom Tritt in die Kutsche gestolpert war. Doch der Geruch an seinen Kleidern hatte auf etwas anderes hingedeutet. Es schien, als hätte er unter anderem eine Vorliebe für Opium entwickelt. Doch James hatte den Mund gehalten. Grundsätzlich hatte er nichts gegen ein bisschen Experimentierfreude, doch als Ouvertüre zum Frühstück schien es ihm heikel.
    Unten auf dem Boden wurde Phins Ritterlichkeit nicht gewürdigt. Lizzie hastete an ihm vorbei, hüpfte über einen schlummernden Hund, wich geschickt drei herumspringenden Kindern aus und starrte zwei Betrunkene in Grund und Boden, wobei sie die ganze Zeit mit der Spitze ihres lavendelfarbenen Sonnenschirms nach oben auf James’ Kopf zielte. Dicht auf ihren Fersen war ein Diener, dessen gepuderte Perücke (nur Lizzie verlangte von der Dienerschaft, gepudert zum Derby zu gehen!) langsam in der Hitze erschlaffte. »Ha, du Schlingel!«, rief sie zu ihm hinauf. »Lässt du mich auf der Haupttribüne sitzen, damit du den Champagner ganz allein trinken kannst?«
    »Alles, um Nello zu entrinnen«, sagte er ehrlich.
    »Diesem Mistkerl?« Sie lachte. »Zum Teufel mit ihm. Du solltest wirklich deine Post lesen, Sanburne: Ich habe mich vor zwei Tagen von ihm getrennt und es seitdem keine Sekunde bereut.« Mit einem Fingerschnipsen wies sie den Diener an, sich vor ihr ins Gras zu knien. Dann stieg sie, eine Hand an die Kutsche gestützt, auf das Knie des Mannes, sodass sie über den Rand des Daches schauen konnte. »Schon viel besser. Und jetzt verrate mir den wahren Grund, warum du dich hier versteckst.«
    »Kannst du mir nicht meine kleinen Launen zugestehen?«
    »Auf keinen Fall. Deine Aufgabe ist es, amüsant zu sein.«
    »Und wenn ich nicht amüsiert bin?«
    »Dann steckst du in großen Schwierigkeiten«, sagte sie pfiffig. »Denn als Bankier kann ich mir dich nicht vorstellen.«
    Neugierig legte er den Kopf schief. »Gibt es denn keine anderen Optionen?«
    Sie lachte.

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