Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)
»Nun, es gibt immer noch die Politik, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass dich keine Partei haben will.« Sie warf einen Blick zur Seite und schwankte, sodass James sie am Arm packen musste, damit sie nicht herunterfiel. »Bleib sofort stehen«, rief sie Phin nach, der verstohlen den Rückzug zu Daltons Kutsche antrat. »Du hast dich schon letzte Woche von James’ Party weggeschlichen, bevor ich die Gelegenheit hatte, mit dir zu sprechen. Du musst jetzt einfach zurückkommen und es wieder gutmachen – vorzugsweise dadurch, dass du mehr Charme an den Tag legst als ein Stück Tapete.« Als Phin achselzuckend zu ihnen zurückgeschlendert kam, richtete sie ihren gestrengen Blick wieder auf James. »Du versteckst dich doch nicht vor dem Tratsch, oder? Man munkelt, dass du fast von einem Blaustrumpf in den Boden gestampft wurdest.«
Phin blieb neben ihr stehen. »Davon habe ich auch gehört«, sagte er. In weniger als drei Minuten von rätselhafter Sphinx zur Grinsekatze: Für Lizzie war er immer gern unterhaltsam. Sie war auf dem Nachbaranwesen von James’ Familie aufgewachsen, und in ihrer Jugend, wenn Phin in den Ferien mit zu ihm nach Hause gekommen war, hatten Lizzie und Stella ihm das Flirten beigebracht. Seither sorgte Phin dafür, dass ihnen nicht entging, wie vorzüglich ihre Unterweisungen gewesen waren. »Geh behutsam mit ihm um, Liebes. Man munkelt, dass sie spindeldürr und farblos sei und ihm sofort die Augen auskratzen wollte.«
»Dürr ist sie überhaupt nicht«, gab James gelassen zurück. Derweil lief das Gesicht des Dieners unter Lizzies Gewicht rot an. Da Vorsicht besser war als Nachsicht, rutschte James vom Rande des Daches und ließ sich zu Boden fallen. »Nicht einmal farblos«, fuhr er fort, während er sich die Hose abklopfte. Dann hielt er Lizzie die Hand hin, um ihr beim Absteigen vom strapazierten Knie ihres Dieners behilflich zu sein. »Daran erkennst du, was für einen Nutzen ein Tratsch mit Witwen hat. Miss Boyce ist sogar zu einem sehr hübschen Rot angelaufen, als sie mich herunterputzte.«
»Hübsch?« Elizabeth legte ihren Parasol an die Schulter und drehte ihn gedankenvoll, wobei ihre hochgezogenen Augenbrauen dieser Bewegung einen skeptischen Beigeschmack verliehen. »Ihr sprecht von Lady Southertons Schwester, ja? Sie scheint ein sehr … Respekt einflößendes Geschöpf zu sein.«
Mit diesen verächtlich ausgesprochenen Worten meinte Lizzie eigentlich groß, da sie selbst James kaum bis zur Schulter reichte. »Ja, Respekt einflößend war sie wohl.« Und ziemlich umwerfend, doch dieses Wort kam ihm merkwürdig vor, weshalb er es lieber nicht aussprach. Miss Boyces Gesicht würde nie die Blicke der Männer auf sich ziehen. Es lag eher an ihrem Auftreten. Sie pfiff auf jede Konvention; sie war durch den Saal gefegt wie eine Walküre, entschlossen, den törichten Sterblichen zu zermalmen, der es gewagt hatte, sie zu unterbrechen. Er hatte schon ein paar Gouvernanten mit einer solchen Präsenz erlebt, doch damals war er erst sieben gewesen, und sie hatten ihm gegenüber den Vorteil gehabt, über einen Holzpaddel und dreißig Kilo mehr Gewicht zu verfügen. Als Erwachsener wusste er Frauen, die sich durchsetzen konnten, besser zu würdigen.
»Und Moreland war auch da, habe ich gehört«, soufflierte Lizzie, während sie nach einer Fliege schlug.
Ihm war nicht bewusst gewesen, dass er lächelte, bis er merkte, dass sein Lächeln auf einmal verrutschte. »Leider.«
»Interessant«, sagte Phin. »Ich frage mich, ob er sie dazu angestiftet hat.«
Der Gedanke alarmierte ihn. »Gäbe es dazu irgendeinen Grund?«
Phin blinzelte, als hätte er sich selbst überrascht. »Eigentlich keinen.« Er sah Lizzie hilfesuchend an, und sein Ton wurde neckisch. »Eine schlechte Angewohnheit von mir – in jedem Zufall eine Verschwörung zu sehen. Haben Sie ein Heilmittel dagegen, Mrs Chudderley?«
Sie klimperte mit den Wimpern. »Wende dich nicht an mich, Ashmore. Ich glaube, meine Modistin legt es darauf an, mich zugrunde zu richten. Dafür habe ich auch keine Lösung.«
Während die beiden weiterplauderten, ertappte sich James dabei, wie er einen suchenden Blick zu den Privatlogen warf, die den Rasen an der Haupttribüne säumten. Ihre Fenster glänzten in der Sonne wie blinde Augen. Hinter einem davon saß sein Vater und verhöhnte ihn zweifellos noch immer wegen des Zwischenfalls im Institut. Es war zwar nicht Morelands Stil, öffentliche Spektakel zu arrangieren, doch es hatte ihm
Weitere Kostenlose Bücher