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Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Titel: Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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vier Stunden, während James zwischen seiner und Daltons Kutsche hin und her gesprungen war (die inzwischen mit Dalton und Tilney obendrauf von der drängelnden Menschenmenge außer Reichweite geschoben worden war), hatte Phin mit geschlossenen Augen regungslos dagesessen. Er hatte sich gesonnt wie eine langgliedrige, streunende Katze. Oder vielleicht wäre Buddha der bessere Vergleich, denn sein Appetit tendierte gegen Null. Bier, Wein, gepresstes Rindfleisch und hart gekochte Eier – all seine Angebote hatte er der Reihe nach abgelehnt.
    Wenn es nur Phins Ziel war, dekorativ dazusitzen, hatte er Erfolg damit. Von der Sonne im Ausland tiefbraun gebrannt, vom Bergsteigen muskulös und hager, gab er eine eindrucksvolle Figur ab. Als James von der Haupttribüne zurückgekommen war, hatte er eine Schar Ladenmädchen angetroffen, die vor der Kutsche herumlungerten und von Phins breiten Schultern ( wie der Ärmelkanal ) über die exotische Länge seiner braunen Haare bis hin zu seinem ach so männlichen Kinn alles beäugten. Was James anging, so hatte er himmlische Augen und ein göttliches Gesicht, doch seine Belustigung hatte ihnen weniger gefallen. Deshalb waren sie weitergegangen und hatten sich an Dalton rangemacht.
    Nun, Dalton war ein feiner Kerl und würde seinen Freunden den Rücken decken, selbst wenn er sich dabei den eigenen bräche. Doch mit seinem karottenroten Haar, den unsichtbaren Augenbrauen und dem fliehenden Kinn war er nicht gerade der Inbegriff eines Romeos. Niemand wusste das besser als Dalton selbst, der die Mädchen zu sich nach oben eingeladen und sie gebeten hatte, »ihm das Blaue vom Himmel herunterzulügen«. Als Tilney ihn deshalb verspottete, rächten sich die Damen an ihm und drängten Tilney durch subtile Bewegungen bis zum Rand des Daches. Nun trank er Whisky und schmollte. Da er sogar hübscher war als ein Mädchen, war er nicht daran gewöhnt, ignoriert zu werden.
    »Armer Tilney«, sagte James, als eines der Mädchen ruckartig die Arme ausbreitete und ihn zur Seite stieß, woraufhin er sich verzweifelt festklammern musste, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. »Wir sollten ihn retten, bevor seine Eitelkeit ganz in sich zusammenbricht.«
    Phin grunzte. »Stimmt. Ohne sie bliebe nicht mehr viel von ihm übrig.« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Bis auf seine Schulden. Ich glaube, sein Pferd kam als letztes ins Ziel, genau wie gestern und letzte Woche.«
    Da war was dran: Tilney hatte wirklich Pech mit Pferden. James hatte ihm schon unzählige Male mit größeren Summen aus der Klemme geholfen. Aber da spielte auch noch etwas anderes mit: Phins reflexartiges Misstrauen gegenüber Blaublütern. Dass er selbst einer war, machte für ihn keinen Unterschied. Und um fair zu sein: Damals, als sie alle zusammen in Eton waren, hatte es für Tilney auch keinen Unterschied gemacht. Damals hatte noch nichts darauf hingedeutet, dass Phin einen Grafentitel erben würde. Die meisten seiner Kameraden taten ihn als Fall für die Wohlfahrt ab, und einen verdächtig irischen noch dazu.
    Phin setzte sich mit Geringschätzung zur Wehr. Eierköpfige Tölpel, verhätschelt bis zur Unbrauchbarkeit . Damit redete er im zarten Alter von zehn Jahren abfällig über den Großteil von Großbritanniens zukünftiger Führungselite. Mit einem Blick auf James fügte er hinzu: Ich habe wirklich keine Ahnung, wie du so interessant werden konntest. Ich hoffe schwer, dass du so bleibst .
    James gab sich Mühe. Noch Jahre später prüfte er sich immer, wenn er sich in einer Situation wiederfand, in der ihm seine gesellschaftliche Stellung Vorteile gewährte, anhand Phins Prämisse: Ist das interessant? Was schon bald bedeutete: Ist das originell? Viel zu oft stellte sich heraus, dass die Antwort Nein lautete. Von seinem Taschengeld Geschenke kaufen, um damit Dorfmädchen zu verführen: wenig originell. Genau wie: das Personal zu beschimpfen, über Fremde herzuziehen, seine Lehrer zu bestechen und langatmige Urteile über Menschen abzugeben, die ihn nichts angingen – so wie Phin es gerade in diesem Moment tat. »Er ist vielleicht ein schlechter Zocker«, sagte James achselzuckend. »Aber sonst ist er ganz ordentlich geraten. Komm heute Abend mit, dann wirst du schon sehen.«
    »Ich kann nicht«, sagte Phin. »Die Pflicht ruft, und was es sonst noch so gibt.«
    Das war ihm neu. »Aber du bist jetzt schon seit fünf Monaten zurück. Ich dachte, du wärst damit fertig.«
    »Fast.« Phin schien auf die Rennbahn

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