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Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Titel: Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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sicher gefallen, die wohlverdiente Bestrafung seines Sohnes mitzuerleben. Wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dass er seine Hand im Spiel gehabt hatte?
    Lizzie knuffte ihn lachend in den Arm. »Den Blick kenne ich. Du hast die Jagd eröffnet!«
    »Wäre ja nicht das erste Mal«, meinte Phin und es klang nicht, als würde er scherzen.
    Carnelly besaß in der Nähe der St. Katharine Docks eine Lagerhalle; ein schäbiges, heruntergekommenes Gebäude, das von außen aussah wie ein Armenhaus. James hatte noch nie verstanden, was seinen Reiz ausmachte, um so viele unterschiedliche Gestalten zu seinem Eingang zu locken, denn dort war immer irgendetwas los. Heute zum Beispiel verkaufte ein Händler Kastanien von einem glutroten Grill, während ein kleiner Junge für ein paar Pennys durch Reifen sprang. Eine Frau lungerte am Eingang herum, soff Gin und machte einem Verehrer schöne Augen – einem von der zahlenden Sorte, argwöhnte James.
    Es war nicht gerade eine fröhliche Gegend. Aber Carnelly war auch kein sehr fröhlicher Mann. Im Gebäude selbst schuf die Kombination von höhlenartiger Dunkelheit und dem Geruch uralter Artefakte eine Atmosphäre, die sich einem aufs Gemüt legte. Es roch nach Schimmel, Papyrus und Messingpolitur – der Duft der raffgierigen Oberschicht, fand James. Er lockerte diskret seine Krawatte, während er sich auf einer Bank an der Tür niederließ, um zu warten. Man konnte nie genau sagen, wo Carnelly sich gerade befand. Die Erfahrung hatte gezeigt, dass es sinnlos war, sich auf die Suche nach ihm zu machen. Die Gänge in diesem Lagerhaus waren eng, unglaublich dunkel und wurden oft von plötzlichen Kistenlawinen zugeschüttet. Zudem gab seine gefälschte Stele eine ausgezeichnete Fußbank ab.
    Er gähnte, während er wartete. Er war müde. Letzte Nacht war in seinem Haus eingebrochen worden – ein paar silberne Kerzenhalter und zwei Vasen waren abhandengekommen – und das Personal war in heller Aufregung. Er hatte den ganzen Vormittag damit verbracht, die Bediensteten zu befragen und ihre Ängste zu zerstreuen. Was für ein pflichtbewusster Herr und Gebieter er doch war. Wie edel, wie aufrecht er unter seinen großen, schweren Bürden stand. Er schnitt eine Grimasse. Hätte er einen von Phins Tränken im Körper gehabt, hätte die gegenüberliegende Wand ihm wahrscheinlich eine Grimasse zurückgeschnitten. Er musste feststellen, dass ihre Sturheit ihn ein wenig enttäuschte.
    Nach wenigen Minuten ertönte ein Schlurfen aus der Dunkelheit. Ein lautes Schniefen folgte. Aufgrund des vielen Staubs litt der Mann unter einer immerwährenden Erkältung. »Carnelly«, rief James. »Um Himmels willen! Putzen Sie sich die Nase.«
    »Eh?« Jetzt ertönte ein dumpfer Schlag, darauf das Splittern von Holz. Carnelly reckte den Kopf aus einem Stoß von Lattenkisten. »Hallo, Chef. Freut mich, Sie zu sehen.«
    »Sparen Sie sich das«, sagte James. »Ich weiß, dass Sie die Zeitungen gesehen haben.«
    Carnelly kletterte aus dem Kistenstoß hervor. Er hatte eine Metzgerschürze um und hielt einen schmutzigen Lappen in der Hand. Obwohl er gebaut war wie ein Riese, mit Schultern und Oberschenkeln, die zweimal so breit wirkten wie die eines normalen Menschen, war er alles andere als Respekt einflößend. Es lag an seinen Haaren, dachte James. Einen Mann, dem ziegelrote Ringellocken vom Kopf wuchsen, konnte man einfach nicht ernst nehmen. »Kann nicht behaupten, je viel gelesen zu haben, Sir.«
    James warf einen vielsagenden Blick auf einen Stapel archäologischer Fachzeitschriften in der Ecke.
    »Ach, die sind nur zur Schau da.«
    Er erhob sich. »Ihr Analphabetismus, so suspekt er mir auch erscheint, interessiert mich nicht. Eigentlich gibt es nur eine Sache, die für mich von Interesse ist. Können Sie es erraten?« Es folgte ein kurzes Schweigen. »Das war keine rhetorische Frage, Sir.«
    Der andere Mann schluckte hörbar. »Steuern?«
    »Nächster Versuch.«
    »Jungfrauen.«
    »Schwierig, zugegeben, aber das kriege ich allein hin.«
    Carnelly senkte den Kopf, wenn auch nicht schnell genug, um sein Grinsen zu verbergen. Er scharrte unbehaglich mit den Füßen. »Moreland«, sagte er widerwillig.
    »Haargenau«, lobte ihn James. »Nun, ich habe mich gefragt, da Sie das über mich wissen und mein Motiv dafür kennen, ein wirklich außergewöhnliches Artefakt aus Ägypten zu suchen, eines, das meinen Vater vor Neid grün werden ließe – warum sollten Sie dann meine Protektion und mein immenses Missfallen

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