Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)
Haben Sie die Kastanien gekostet? Sie sind sehr schmackhaft.«
Sie verdrehte die Augen. Hübsche Augen, in genau demselben Farbton wie ein Erntemond. Das Schönste an ihr, dachte er. Doch dann, als sie begann, seinen Teppich mit Schritten auszumessen, revidierte er seine Meinung. Wenn Miss Boyce sich bewegte, dann … federte sie. Er drehte sich um und sah ihr bewundernd nach. Oh ja. Selbst wenn die Lady nicht bestrebt war, ihm Unterhaltung zu bieten, schien sie nicht anders zu können. Sie lief, als wären ihre Füße mit Federungen versehen. Bestimmt hatten diese langen, federnden Schritte irgendeine längst vergessene Gouvernante an den Rand der Verzweiflung getrieben.
Er stellte fest, dass er in sich hineingrinste wie ein Schuljunge. Eigentlich war es peinlich. Denn diese Frau schenkte ihm weniger Beachtung, als sie kanadischem Müll schenken würde. Dennoch konnte er seine Neugier nicht bremsen. »Jagen Sie?« Er konnte sie sich gut als Reiterin vorstellen. Sie war, was sein schottisches Kindermädchen als »strammes Mädel« bezeichnet hätte. Da das Reiten von Kopf bis Fuß so positive Auswirkungen hatte, konnte er daran keinen Anstoß finden.
Sie wirbelte herum. Die ungestüme Bewegung deutete auf eine starke Gefühlsregung hin, sie hielt die Hände gefaltet und drückte sie in ihre Röcke wie in einem heimlichen Gebet. Doch ihr Gesicht und ihre Stimme blieben gelassen. »Nein, ich kann Pferde nicht leiden. Und lassen Sie uns bitte beim Thema bleiben, Viscount. Ich bedaure, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Ihre Mutmaßung korrekt war. Die Fälschung stammte tatsächlich aus der Lieferung meines Vaters.«
Er lächelte. »Wie freundlich von Ihnen, mir zu bestätigen, was ich bereits weiß. Vielleicht machen Sie mich als Nächstes mit mir selbst bekannt. Ich soll sehr beliebt sein.«
Das Grübchen lugte wieder hervor. Er gratulierte sich stillschweigend. »Wie dem auch sei«, sagte sie mit Nachdruck. »Dass die Fälschungen sich darin befanden, bedeutet noch lange nicht, dass mein Vater davon Kenntnis hatte. Ich glaube, dass der Transport sabotiert wurde – und das echte Stück gegen das falsche ausgetauscht wurde. Auf jeden Fall habe ich nach Ägypten telegrafiert. Sobald ich mehr weiß, gebe ich Ihnen Bescheid.«
»Ich verstehe«, sagte James. »Sie sind also hergekommen, um mir zu sagen, dass meine Fakten zwar korrekt sind, Ihre Hypothesen mich aber dahingehend beeinflussen sollen, mich von ihnen zu distanzieren?«
Sie blinzelte verdutzt. Seine Ausdrucksweise hatte sie verblüfft. Oh, wie leicht sie zu beeinflussen war! Sie fiel ihren Vorurteilen gegen ihn so leicht anheim, wie ein Fisch ins Wasser glitt. »Nein«, sagte sie, aber ihr Leugnen klang unsicher. »Ich möchte mich nur … nun, entschuldigen, nehme ich an, für diese schreckliche Verwechslung. Mir wäre nie in den Sinn gekommen, dass Ihre Anschuldigungen berechtigt sein könnten, auch wenn sie auf die falsche Person bezogen waren.«
Miss Boyce sagte, was von ihr verlangt wurde, doch ihre steifen Schultern und ihre geballten Fäuste deuteten darauf hin, dass ihr diese Entschuldigung in etwa so angenehm war, wie ein Schwert in den Bauch gestoßen zu bekommen. »Manieren«, sagte er mitfühlend. »Sehr lästig. Ich schlage vor, Sie legen sie ad acta. Mir fehlen sie überhaupt nicht.«
»Ja, ich kann nachvollziehen, inwiefern sie sich für Sie als lästig erwiesen haben.« Sie sagte das so nüchtern, dass er einen Moment brauchte, bis er merkte, dass sie sich über ihn lustig machte. Er belohnte sie mit einem ermutigenden Lachen. Sie hatte wirklich großes Potenzial. Ein bisschen weniger steif, und sie wäre so interessant wie ihr Grübchen.
»Verraten Sie mir eines«, bat er. »Warum sollte ich überhaupt glauben, dass es sich um eine Verwechslung handelt? Woher soll ich wissen, dass Ihr Vater die Fälschungen nicht bewusst importiert und sie kraft seines guten Rufes verkauft?«
»So etwas würde er niemals tun«, sagte sie augenblicklich.
»Ach ja? Und woher wollen Sie das wissen?«
Ihre Reaktion gab ihm einen kurzen Einblick in das Leben einer Monstrosität auf dem Jahrmarkt. Sie sah ihn vollkommen entgeistert an, und dann, mit einem Male, sehr mitleidig. »Er ist mein Vater «, sagte sie in einem Ton, der nahelegte, dass er vielleicht mit dem Begriff nicht ganz vertraut war. »Ich kenne ihn besser als sonst irgendjemanden, Sir, und daher weiß ich, dass dieses Verbrechen so weit unter seiner Würde wäre, dass allein schon der
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