Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Titel: Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
Vom Netzwerk:
aufgrund ihres Verstandes ( die Kompetenz, mit der Sie diese höchst anstrengende Rolle übernommen haben – oh, wie mitleidig George das gesagt hatte!), sondern weil sie als abschreckendes Beispiel für Debütantinnen diente. Werdet nicht größenwahnsinnig , flüsterten Mütter ihren Töchtern zu, wenn sie im Ballsaal an ihr vorbeischlenderten. Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Ihr wollt doch nicht so enden wie sie.
    Wie konnte sie mit ihm über diese Dinge sprechen? Was verstand er schon davon? Es würde ihn nur langweilen. Zudem kamen ihr, jetzt, wo sie hier saß und die gewaltige gesichtslose Grausamkeit Londons betrachtete, ihre Klagen beschämend vor. Man musste sich nur diese armseligen Behausungen ansehen! Keine besondere Beachtung würde sie davor bewahren. Bei ihrem Anblick kam es ihr in höchstem Maße kindisch vor, nach mehr zu verlangen. Sie sollte lieber dankbar sein. Sie konnte von Glück sagen, zu Hause bei ihren Schwestern einen sicheren Platz zu haben. Diese Wut hingegen, diese sich verschlimmernde Verzweiflung – sie wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte. Der unheilvolle Horizont warnte sie davor, wohin ihr Ehrgeiz sie führen könnte.
    Was hätte sie gesagt, wenn sie offen mit ihm hätte sprechen können? Es hätte keinen Sinn ergeben. Sanburne, ich habe Angst vor mir selbst.
    »Ich spüre, wie Ihr Herz rast«, murmelte er.
    »Ja«, sagte sie unsicher. Für ihn war es so einfach, freiheraus zu sprechen. Er war ein Mann, dem alle Türen offen zu stehen schienen, dessen Nichterscheinen stets auffallen würde. Der nicht überall, wohin er blickte, mögliche Konsequenzen sah. »Was ist schon dabei? Sie spielen mit mir.« Der ihr Möglichkeiten eröffnete, die sie nicht annehmen konnte, nicht annehmen durfte.
    »Man könnte mein Verhalten auch anders bezeichnen. Aber vielleicht sind Sie nicht weltgewandt genug, um das zu erkennen.«
    Da war sie wieder: die Unterstellung, dass ihre Zurückhaltung Naivität geschuldet war, und nicht dem genauen Gegenteil. »So behütet bin ich gar nicht«, sagte sie leise. »Ich war sogar schon in Ägypten. Meine Schwestern nicht, aber ich war dort. Vor ein paar Jahren, kurz vor der Bombardierung Alexandrias, hat mein Vater mich dazu eingeladen.« Und sie war bereitwillig mitgefahren, um ihrer Schmach zu entfliehen. Sie hatte die Hochzeit ihrer Schwester verpasst und die Vorbereitungen Tante Augusta überlassen, weil sie es schlicht nicht ertragen konnte, dem Bräutigam in die Augen zu sehen. Das hatte Sophie ihr nie verziehen.
    »Wirklich?« An seinem neutralen Ton erkannte sie, dass ihr abrupter Themenwechsel ihn verwirrte. »Ich selbst war auch erst diesen Winter dort.«
    »Als Tourist?«
    »Ja, natürlich. Sie nicht?«
    »Nein«, sagte sie. »Ich habe Kairo nie gesehen, oder den zweiten Katarakt, nichts dergleichen. Eigentlich nur Alexandria. Mein Vater hat dort ganz in der Nähe gearbeitet. Ich habe zwei Monate im Hotel de l’Europe gewohnt.« Und fast die ganze Zeit geweint. Sie hatte sich in dem schrecklichsten, abscheulichsten Selbstmitleid gesuhlt. Es hatte sie noch lange Zeit geärgert, wenn sie daran zurückdachte.
    »Wie schade.« Seine Finger nahmen die rhythmische Bewegung wieder auf – ein zartes Streicheln über ihre Brustwarze. »In Alexandria gibt es nicht viel zu sehen«, sinnierte er, »wenigstens im Vergleich zum Rest des Landes. Die Pompeiussäule natürlich.« Er kratzte mit dem Fingernagel über den Stoff. »Die Nadeln der Kleopatra.«
    »Und die Stadt selbst.« Ihre Stimme war belegt. Auf andere Weise würde sie nicht eingestehen, dass sie seine Liebkosung zur Kenntnis nahm. Wenn sie es ansprach, müsste sie eine Entscheidung treffen.
    »Die Stadt selbst?« Seine Hand hielt inne. »Ich erinnere mich nicht besonders deutlich daran. Wir sind dort gelandet und ich war müde von der Reise. Hässlich, das ist alles, woran ich mich erinnere.«
    »Sie erinnern sich nicht einmal an den Geruch?«
    »Ein Sumpf.« Seine Finger nahmen die Bewegung wieder auf, und ein leiser Seufzer entfuhr ihr. Er belohnte sie mit einem härteren Streicheln, einer wachsenden Aggression. »Am Rand der Stadt ist ein Sumpf. Er hat gestunken.«
    Sie stieß ein leises Lachen aus. »Nein, hat er nicht. Er hat nach Salzwasser gerochen, und nach Gewürzen, und Akazien. Mir war bis dahin nicht klar, dass Akazienblüten duften. Wussten Sie das? Aber natürlich tun sie das: Sie duften süß.« Sie drehte ihr Gesicht wieder an seine Schulter und atmete seinen Geruch

Weitere Kostenlose Bücher