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Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Titel: Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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besten Willen keine Antwort ein.
    »Beachten Sie nur den wunderbaren Effekt«, schwärmte er. »Ich habe den Arm um Ihre Taille geschlungen, und Sie haben es nicht einmal bemerkt.«
    Bestürzt blickte sie an sich herab. Er hatte recht. Aber für seinen Arm war sonst auch kein Platz. »Das ist keine Freude, sondern eine Notwendigkeit.«
    Er lachte. »Wie erniedrigend. Aber wenn ich meine Hand weiter nach oben schiebe … « Er ließ sie langsam aufwärtsgleiten.
    Mit aufgerissenen Augen hielt sie die Luft an. Der Schuft würde gleich …
    »Et voilà«, sagte er. »Nicht im Geringsten notwendig.«
    Seine Finger ruhten auf einem Teil ihrer Anatomie, die zu berühren er keinerlei Recht hatte.
    »Und jetzt«, raunte er ihr ins Ohr. »Jetzt können Sie zu Recht behaupten, dass ich die Situation schamlos ausnutze. Oder … « Seine Finger zogen sich leicht zusammen und umfassten sie. »Sie können meinen Einfallsreichtum loben. So oder so denken Sie jetzt nicht mehr ans Runterfallen.«

9
    Lydia saß da wie erstarrt: weniger vor Empörung, sondern eher, weil sich das plötzliche Pulsieren in ihr als gefährlich für ihr Gleichgewicht erwies. Nur zwei Stoffschichten trennten seine Hand von ihrer Brust. Die Sonne schien angenehm warm aufs Dach, die Taube gurrte leise und flatterte davon. Und seine Finger bewegten sich streichelnd auf ihr, worauf sich ein sehr unangemessener Körperteil von ihr zusammenzog und deutlich sichtbar wurde.
    »Es scheint Ihnen zu gefallen«, stellte er fest.
    Sein Tonfall war so sanft, dass diese Bemerkung sich genauso gut auf ihre Reaktion auf ein Blumenarrangement hätte beziehen können. Doch als ihr klar wurde, was er damit meinte, wurde sie puterrot. Sie räusperte sich und sagte leise: »Ein kaltes Bad hat dieselbe Wirkung.«
    Sein entzücktes Lachen strich sanft über ihren Hals. »Sie sind so amüsant«, schnurrte er. »Wenn ich meine Lippen dort hinlegen darf, überzeuge ich Sie vom Gegenteil.«
    Sie brauchte nicht erst überzeugt zu werden. Sie spürte den Unterschied nur allzu gut. Von einem kalten Bad bekam man einen klaren Kopf, während seine Berührung ihr Urteilsvermögen trübte und ihren ganzen Körper wärmte. Ich könnte mich bei ihm anlehnen . Sogar auf einem Dach kam er ihr stark und in sich gefestigt vor. Woher hatte er dieses Selbstvertrauen? Natürlich hatten seine Herkunft und sein Geschlecht ihm gewisse Privilegien beschert. Aber es war mehr als das. Er stand ständig unter Beobachtung. Die Zeitungen analysierten jeden Unfug, den er sich einfallen ließ. Und dennoch ertrug er diese Aufmerksamkeit, als ginge sie ihn kaum etwas an. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er je auf einer Türschwelle stehen blieb und vor lauter Angst, gewogen und für zu leicht befunden zu werden, zögerte. Wenn ihn jemand schnitt, lachte er nur darüber. So unerschrocken und selbstsicher zu leben und nichts auf die Meinung anderer zu geben … nun, das musste ein völlig anderes Leben sein. Keinerlei Unsicherheit. Gefeit gegen Hohn und Spott. Bei solcher Freiheit stand einem die ganze Welt offen!
    Sie würde sich bei ihm anlehnen, dachte sie. Nur einen kurzen Augenblick, hier oben, wo es niemand sehen würde. Seine Schulter fühlte sich unter ihrer Wange warm an, er roch nach Seife und Bergamotte. Ihn auf diese Art zu berühren, zählte nicht. Er rückte keinen Millimeter von ihr ab. Als sie den Kopf an ihn lehnte, änderte sich seine Atmung nicht.
    Nach einer Weile fragte er: »Immer noch Angst?«
    Sie konzentrierte sich auf ein Paar zerfledderte Vorhänge weiter weg. Der gelbe Gardinenstoff war einmal voller Hoffnung ausgesucht worden, inzwischen jedoch durch den Rauch von Kohle verblasst und hing nur noch in Fetzen herunter.
    Sie seufzte. Man ignorierte normalerweise, dass diese Gegenden existierten. Man tat das, um sich selbst davon zu überzeugen, wie weit das eigene Leben von solchen Zuständen entfernt war. »Natürlich habe ich Angst«, sagte sie leise. »Ich habe immer vor irgendetwas Angst.« War das als Frau nicht ihre Pflicht? Wenn es nicht die Angst um den eigenen guten Ruf war, dann um den ihrer Schwestern. Wenn es nicht die Angst um Papas Projekt war, dann um Anas Zukunft. Oder die Angst vor den kritischen Blicken, die auf ihr ruhten, egal, wohin sie ging. Immer gab es irgendetwas, worauf man achtgeben musste.
    Gab es da einen sichereren und unsichtbareren Aufenthaltsort als ein Dach? Sie entspannte sich. Sein Schweigen empfand sie als angenehm. Das Sonnenlicht war weich, von

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