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Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Titel: Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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Weg. Muscheln – sie hatte sich in jeder Beziehung geirrt. Die zwei Mädchen kamen angesprungen und reichten dem Händler eine Münze, für die sie je eine in einen fettigen Zeitungspapierkegel abgepackte Portion bekamen. Sie war froh, die beiden essen zu sehen.
    Jemand fasste sie am Ellbogen. Sie ließ sich von Sanburne durch die Menschenmenge bugsieren und reckte den Kopf in alle Richtungen, um die Atmosphäre in sich aufzusaugen. Sie kannte diese Gin-Kaschemmen als Höhlen des Unheils, wo die Armen ihren Untergang fanden, doch dieser Raum hier war so prunkvoll und prächtig wie das Foyer eines Opernhauses. Gaslampen erstrahlten in Schönheit an den Wänden wie exotische Blumen aus Gold und Glas. Die verputzte Decke war gemeißelt und vergoldet. Aus allen vier Ecken lugten Putten, und auf Hochglanz polierte Spiegel nahmen die Wand hinter der Theke mit der zinnernen Oberfläche ein.
    Ah, und da war auch der Gin! Gegenüber der Theke, hinter einem Messinggeländer, stand Reihe um Reihe aus Fässern, ein jedes mit fröhlichen Gold- und Grüntönen bemalt. Handgemalte Schilder gaben ihren Inhalt an. SUPERIOR CREAM . REGULAR FLARE - UP . DEW OF BEN NEVIS . »Was haben die Zahlen zu bedeuten, die mit Kreide darauf notiert sind?«, fragte sie und deutete darauf.
    »Die Anzahl der noch verbleibenden Gallonen. In die Wände sind Schläuche eingelassen, die zur Theke herüberführen. Die Schankkellner müssen nur auf den rechten Hebel drücken, um einen Krug zu füllen.«
    An der Theke hatte sie vor, sie dabei zu beobachten, wurde jedoch von der grauen Arbeitsplatte abgelenkt, die Hunderte von winzigen Löchern aufwies, die ein dekoratives Muster aus Blumen und Reben bildeten. »Um die verschüttete Flüssigkeit aufzufangen«, erklärte Sanburne und tippte darauf. »Sie verkaufen es sehr billig – ›alle Sorten‹ nennen sie es. Wollen Sie mal probieren?«
    Sie verzog das Gesicht. »Nein, danke.«
    »Was darf’s sein?« Das kam von dem Riesenkerl mit Pelzmütze, der ihnen von seinem Platz hinter einem Zapfhahn einen beiläufigen Blick zuwarf. Er kaute auf einem Strohhalm und hatte sich eine Papierblume hinters Ohr gesteckt.
    »Für mich für Sixpence Old Tom«, sagte Sanburne, »und ein Cream of the Valley für die Dame.«
    »Das trinke ich sowieso nicht«, murmelte sie, hielt es jedoch für das Beste, nicht lauter zu protestieren. Als der Schankkellner mit ihren Getränken zurückkam und zur Sicherheit noch schnell auf Sanburnes Münze biss, bevor er ihnen die Krüge reichte, sagte sie: »Wir suchen jemanden. Miss Polly Marshall.«
    Der Mann zuckte mit den Achseln. »Ich frage die Leute nicht nach ihrem Namen, bevor ich sie bediene. Dann mal viel Glück.«
    Sie liefen an der Bar entlang durch einen gewölbten Durchgang, der das Schild ZUR GROSSHANDELSABTEILUNG trug. Im nächsten Raum hielt sich eine ähnlich dichte Menschenmenge auf (am helllichten Tag! – sie konnte es nicht fassen), aber die Frau auf der Zeichnung war nirgends zu sehen. Der letzte Raum war kleiner, die Theke von roten Plüschbänken gesäumt, die Wände von lebendigen Wandgemälden mit Motiven aus der griechischen Mythologie übersät, deren künstlerische Qualität sie überraschte. Wie viele Menschen kamen nicht nur wegen des Gins hierher, sondern auch, um sich von ihrer trostlosen Umgebung abzulenken? Lydia war überwältigt.
    Als die beiden Platz genommen hatten, hob Sanburne sein Glas und trank einen großen Schluck. Sie wartete darauf, dass er etwas sagte, doch er schien sich damit zufriedenzugeben, sich übellaunig umzusehen. Das Schweigen, das sich zwischen ihnen breitmachte, war ihr unangenehm. Leicht beschämt stellte sie fest, was sie daran störte: Wenn sie bisher zusammen gewesen waren, hatte er sie nie aus den Augen gelassen und sie stets mit lebhaftem Interesse beobachtet – als ob nichts anderes existierte. Daran hatte sie mit der Zeit Gefallen gefunden.
    Er ertappte sie dabei, wie sie ihn ansah. Sie suchte nach Worten, doch er sprach zuerst.
    »Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen.«
    Nahm er Bezug auf den Zwischenfall auf dem Dach oder danach im Korridor? Aufgrund dieser Mehrdeutigkeit schwankte sie zwischen Verlegenheit und einer gleichermaßen verwirrenden Neugier. »Sprechen wir nicht mehr davon.«
    »Nein. Sie hatten vorhin ganz recht. Als sie nach meiner Schwester gefragt haben.« Sie blickte gerade noch rechtzeitig auf, um zu sehen, wie sich sein Mund kurz verzog. Auch wenn sie das nicht als Lächeln bezeichnen konnte. »Ich

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