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Rütlischwur

Rütlischwur

Titel: Rütlischwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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so wie die Aluminiumstrahler eine behagliche Wärme ausströmten, so schien mit dem fortschreitenden Abend auch Banz’ Energie allmählich auf den Kommissar überzugehen.
    Zweifellos hatte Eschenbach die innere Harmonie geschätzt, die sich in der Wildnis Britisch-Kolumbiens in ihm breitgemacht hatte. Und er hatte sich tatsächlich erholt. Die sechs Wochen, die Corina und er hier verbracht hatten, erdeten ihn. Er war stiller geworden und langsamer. Nicht einmal einen richtigen Streit zwischen Corina und ihm hatte es gegeben. Manchmal hatte Eschenbach nicht gewusst, ob das gut oder schlecht war – und versucht, sich diesen Umstand mit der Entschleunigung seines Umfelds zu erklären: jener unaufgeregten Idylle, die sich hier bis weit hinter den Horizont erstreckte. Aber jetzt, so wie Banz und er einander gegenübersaßen, spürte er erneut das Kribbeln, ähnlich einem Spieler, der sich nach langer Abstinenz wieder an einen Spieltisch setzte. Es konnte nicht sein, dass das ganze Weltgeschehen einfach spurlos an ihm vorbeizog.
    Banz, dem Corinas wachsende Ungeduld nicht entgangen war, lächelte plötzlich. Sein sorgenvoller Blick hellte sich auf, und er war wieder der charmante und aufmerksame Bankier, der er am Anfang ihres Gesprächs gewesen war. »Männergesprä­che«, sagte er und zwinkerte Corina zu. Es gelang ihm, sie in die Unterhaltung mit einzubeziehen, so dass es am Ende Eschenbach war, der endlich gehen wollte.
    Über ein Thema hatte Banz während der ganzen vier Stunden kaum ein Wort verloren: seine Ehe mit Anne-Christine. Natürlich hatte Eschenbach nach ihr gefragt; allerdings hatte er dar­auf geachtet, dass sein Interesse an ihr nicht allzu offenkundig war. Ein paarmal war ihm Banz geschickt ausgewichen. Erst als der Kommissar ein gemeinsames Dinner vorgeschlagen hatte, war der Bankier deutlich geworden: »Vielleicht freut es dich ja, wenn ich dir das erzähle … Aber Anne-Christine lebt nicht mehr bei mir.«
    Mit einem weiteren, brüsken Satz hatte Banz klargemacht, dass es in dieser Sache nichts mehr zu sagen gab. Es war der einzige Moment an diesem Abend gewesen, in dem die Unterhaltung zwischen ihnen etwas ins Stocken geraten war.
    Kurz vor Mitternacht machten sich Corina und Eschenbach auf den Heimweg. Der Kommissar spürte den kühlen Abendwind im Nacken, und gleich auf den ersten Metern hatte er wieder das Gefühl, den Pazifik riechen zu können. Er fragte sich, was aus Anne-Christine geworden war. Seine abschweifenden Gedanken wurden von Corina auf den harten Boden der Realität zurückgeholt.
    Abermals hatte seine Frau darauf bestanden, ein Taxi zu nehmen. Und wieder hatte sie es auf die Schuhe geschoben.
    Eschenbach hatte das Manöver erst nach einer Weile durchschaut. »Bist du etwa betrunken?«
    Corina gluckste.
    »Mehr als eins Komma fünf Promille hast du nicht.«
    »Das reicht aber.«
    »Das reicht, um nicht mehr selbst Auto fahren zu können, ja! – aber gehen kannst du.« Und so ließ sich Corina doch noch überreden, wobei sich Eschenbach anerbot, wenn auch nicht sie, so doch wenigstens ihre Schuhe zu tragen.
    »Und du ziehst deine auch aus!«
    Barfuß schlenderten sie eng umschlungen in Richtung Robson Street. Eschenbach nutzte dabei die ganze Breite des Gehsteigs.
    Er hatte Banz eine Absage erteilt.
    Zugegeben, es war eine Überraschung, dass Max Hösli zum Kommandanten der Kantonspolizei Zürich ernannt wurde. Vielleicht war es aber auch nur ein Gerücht, das Banz ins Feld führte, um ihn für sich zu gewinnen.
    Noch bevor er nach Kanada geflogen war, hatte Regierungsrätin Sacher ihm zugesichert, dass sie nach dem Tod der bisherigen Kommandantin, Elisabeth Kobler, mit der definitiven Besetzung der Stelle zuwarten und Hösli das Kommando nur ad interim führen würde. Auf Zeit, wie es hieß, und provisorisch. Aber mit Zeit ist nicht zu spaßen. Und was hieß schon provisorisch? Eschenbach dachte daran, dass bei ihm seit drei Jahren ein Zahnarzttermin anstand, weil die Sache nur provisorisch geflickt worden war. Aber das Provisorium hielt und hielt.
    »Du grübelst doch wieder an etwas herum«, säuselte Corina an seinem Ohr.
    »Mmh …«
    Sie küssten sich.
    »Hösli hat seine Chance knallhart genutzt«, murmelte er.
    »Denk nicht an ihn.«
    »So war das nicht abgemacht.«
    »Es wurmt dich«, sagte Corina. Sie löste sich aus der Umarmung. »Du machst dir Vorwürfe, dass du dich nicht selbst auf die Stelle beworben hast.«
    Eschenbach schüttelte den Kopf und zog Corina

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