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Rütlischwur

Rütlischwur

Titel: Rütlischwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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wieder an sich. »Ich bin Polizist. Und mit der Leitung der Kriminalpolizei bin ich bestens bedient. Da brauch ich nicht noch die Verkehrspolizei, die Flughafen-, Regional-, Sicherheits- und die Seepolizei. Das ist ein Riesenmoloch, den sich der Hösli ans Bein bindet.«
    »Aber er ist dann jetzt dein Chef.«
    »Das Leben ist kein Wunschkonzert«, grummelte Eschenbach. Als Leiter der Sicherheitspolizei war »der stramme Max«, wie Hösli intern genannt wurde, bisher auf derselben Stufe wie Eschenbach. Er war dafür bekannt, dass er seinen Laden im Griff hatte und seinen Mitarbeitern keine allzu großen Freiheiten zubilligte.
    Hösli war nicht der Chef, den sich der Kommissar für die letzten Jahre bis zu seiner Pension gewünscht hätte.
    »Du hast eine Alternative.« Corina blieb stehen und sah Eschenbach an. Ihre Augen hatten noch immer ein Champa­gnerleuchten – aber hinter ihrem Blick verbarg sich eine Ernsthaftigkeit, die Eschenbach verunsicherte.
    »Du meinst doch nicht, ich sollte Banz’ Angebot annehmen?«
    »Es ist doch schön, wenn man so ein tolles Angebot bekommt … zudem wären wir saniert.«
    »Pecunia non olet …«
    Corina seufzte. »Du bist ein sturer Hund.«
    »Wir brauchen sein Geld nicht.«
    »Stolzer, sturer Hund.«
    »Na also«, knurrte Eschenbach. Schweigend setzten sie ihren Weg fort. An der Ecke zur Fullam Street blinkte die Leucht­reklame von Franco’s Ice Cream in schrillen Farben. »Erdbeer oder Schokolade?«
    Ein paar Minuten später setzten sie sich mit einem großen Becher Stracciatella an einen der kleinen Tische auf dem Gehsteig.
    Vielleicht hatte Corina ja recht, dachte Eschenbach. Es war kein schlechtes Gefühl, wenn man gefragt wurde. Gerade in seinem Alter. Warum sollte er nicht offen sein und über eine neue Herausforderung wenigstens nachdenken? Auch wenn er sich beim besten Willen nicht vorstellen konnte, in einer Bank zu arbeiten, er hatte die Wahl. Und das bedeutete ein gewisses Maß an Freiheit. Er würde sich das alles nochmals durch den Kopf gehen lassen. Nüchtern, und an einem anderen Tag.

Kapitel 5
    Gelandet
    E schenbach suchte den Weg zum Terminal für Auslandsflüge, gab seinen Koffer am Check-in einer müden Frau und schlenderte noch eine Weile durch die Läden, ohne sich wirklich für etwas zu interessieren.
    Er überlegte, ob er Rosa anrufen sollte. Aber dann fiel ihm der Zeitunterschied ein. In der Schweiz war es bereits nach Mitternacht. Der Kommissar wählte stattdessen die Nummer von Claudio Jagmetti. Claudio war immer auf Achse. Obwohl er mittlerweile auch schon Mitte dreißig war, konnte man ihn zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen. Der Kommissar erinnerte sich gern an die Zeit, als er mit Jagmetti einen der begabtesten Assistenten an seiner Seite gehabt hatte. Auch später, als der Bündner Karriere machte und unter Elisabeth Kobler zu einem der Shooting Stars des kantonalen Polizeidienstes wurde, blieben Eschenbach und er einander freundschaftlich verbunden.
    Als sich niemand meldete, hinterließ Eschenbach eine Nachricht auf dem Band. »Ich komme zurück«, sagte er und zögerte kurz, weil er glaubte, ihm fiele noch ein zweiter Satz ein. Dann piepte es in der Leitung.
    Eschenbach kam reibungslos durch Passkontrolle und Sicherheits-Check. Dann kaufte er sich zwei Flaschen Mineralwasser und eine Globe & Mail . Alles war wie immer, aber für ihn hatte sich etwas verändert. Vielleicht bewirkte eine Auszeit mehr als nur ein kurzes Durchschnaufen. Es waren ja nicht nur Kapitalverbrechen wie Mord und Totschlag, die ihn in den letzten zwanzig Jahren begleitet hatten. Als Leiter der Kriminalpolizei war ihm auch die Spezialabteilung unterstellt, die sich mit Wirtschaftsdelikten befasste: Betrug, Geldwäscherei … ebenso der wachsende Bereich der Internetkriminalität. So gesehen hatte Banz schon recht, wenn er ihm, Eschenbach, eine gewisse Erfahrung auf diesem Gebiet attestierte. Und die Finanzindustrie stand tatsächlich vor einer großen Herausforderung.
    Der Flug der British Airways startete pünktlich um 20:35 Uhr.
    Der Kommissar hasste Nachtflüge. Er wollte ankommen, wenn der Tag zur Neige ging, nicht umgekehrt. Und weil er von Westen nach Osten, also gegen den Lauf der Sonne flog, würde die Nacht wie in einem Zeitraffer zusammenschnurren. Schon wenige Stunden später würde der glühende Ball, der soeben hinter dem Horizont versank, wieder vor seinen Augen auftauchen.
    Er fühlte sich um eine halbe Nacht betrogen, und das gefiel ihm nicht,

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