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Rütlischwur

Rütlischwur

Titel: Rütlischwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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aus den dunklen Augen, wie Fontänen.
    »Ich habe die ganze Zeit kein Auge zugetan, wo sind Sie denn gewesen?«
    Zwei Kellner kamen mit Schaufel und Besen.
    »Im Kloster.«
    »Ja, ja … Claudio hat mir das schon erzählt. Er hat mich angerufen. Heute Morgen. Dieser Bruder John hatte ihn benachrichtigt und ihm gesagt, wo Sie stecken. Und nach Ihrem Anruf von vorhin … Also, da hab ich nochmals mit ihm gesprochen.«
    Rosa löste sich von Eschenbach, strich über ihr zerknittertes, blasslila Leinenkleid und schniefte. »Ich habe Sie vorhin angeschwindelt, Kommissario, weil, ich soll Ihnen das nicht sagen … Aber Claudio hat mir die Bewerbungsunterlagen von Frau Bill gefaxt. Denn in Ihrem Büro bei Duprey ist nichts mehr … Alles weggeräumt. Es sieht aus, als hätten Sie nie dort gearbeitet.«
    Eschenbach lächelte.
    Rosa versuchte mit den Fingern die zerlaufene Wimpern­tusche aus ihrem Gesicht zu entfernen. »Ich hab noch Ihre Post dabei. Man hat sie mir gegeben, bevor man bei Ihnen aufgeräumt hat … Und dann will Direktor Kaltenbach Sie sprechen, wegen des weiteren Vorgehens. Morgen um elf.«
    »Morgen ist aber Samstag, Frau Mazzoleni.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Ich richte nur aus, was Direktor Kaltenbach mir gesagt hat.«
    »Wir werden das schon schaukeln«, meinte Eschenbach mit einem Augenzwinkern.
    Nachdem sie sich gesetzt und beim Kellner zwei Drinks bestellt hatten, nahm Rosa ein großes Kuvert aus der Tasche.
    »Dadrin ist alles?«
    » Sissì . Die Unterlagen von Frau Bill und drei Briefe …«
    Eschenbach sah Rosa erwartungsvoll an.
    »Da ich nicht wusste, wo Sie waren und ob Sie überhaupt …« Rosa warf einen Blick zum Himmel. »Natürlich hab ich sie geöffnet.«
    »Drum frag ich ja, was steht denn drin?« Eschenbach nahm den Umschlag an sich, öffnete ihn und zog die Briefe hervor. Der erste war eine Anfrage für eine Podiumsdiskussion zum Thema Hat das Bankgeheimnis ausgedient?.
    »Das wirklich Interessante steht in diesem.« Rosa tippte mit dem Finger auf einen Umschlag.
    »Tatsächlich?«
    »Es ist ein Beteiligungsplan für die Kadermitarbeiter der Bank. Also mir ist es wirklich peinlich … Dass da persönlich draufsteht, habe ich erst gesehen, als ich ihn schon geöffnet hatte. Gelesen habe ich ihn natürlich nicht.«
    Eschenbach überflog das fünfseitige Schreiben, das mit Tabellen und Graphiken versehen war. »Nach dem Tod von Banz hat der Verwaltungsrat in einer außerordentlichen Sitzung Alois Kaltenbach zum neuen CEO ernannt. Zudem wurde entschieden, dass zehn Prozent des Aktienkapitals der Bank den Mitarbeitern zukommt, im Rahmen eines Beteiligungsplans.«
    »Kadermitarbeitern«, betonte Rosa. »Ab Prokurist aufwärts. Der Rest geht leer aus.«
    »Dann haben Sie’s also doch gelesen?«
    Rosa schüttelte energisch den Kopf. »Die Leute sprechen dar­über, das ist doch logisch.«
    »Auch wenn’s ausdrücklich verboten ist?« Eschenbach suchte den entsprechenden Passus: »Hier steht, dass die Angelegenheit vertraulich zu behandeln ist.«
    Rosa hob die Schultern. »Von mir aus kann Banz schenken, was und wem er will. Mitnehmen konnte er es ja nicht.«
    »Wissen Sie, wie Banz’ Beteiligung an der Bank insgesamt war?«
    »Keine Ahnung.« Rosa blickte auf das Schreiben. »Steht das denn nicht dort drin?«
    »Nein.« Eschenbach blätterte, ohne wirklich zu lesen. »Die Bank ist eine Aktiengesellschaft … Da lässt sich das nicht ohne weiteres herausfinden.«
    »Ich weiß.«
    Eschenbach blickte auf und sah Rosa an. »Sie haben natürlich nachgesehen, im Handelsregister. Ich kenne Sie doch.«
    Rosa nickte. »Aber Sie haben recht. Über die Eigentumsverhältnisse steht da nichts … drum heißt die Aktiengesellschaft auf Französisch ja auch SA – Société Anonyme.«
    »Eben.«
    Der Kellner kam und servierte die Drinks.
    Eschenbach bezahlte und wartete, bis die Bedienung außer Hörweite war.
    »Auf der Beerdigung sah es nicht so aus, als hätte Banz direkte Erben. Ich denke, ein paar hundert Millionen hatte der mindestens.«
    »Das steht eben auch nicht im Handelsregister.«
    Eschenbach nahm sein Glas, prostete Rosa zu und stürzte den Whiskey in einem Mal hinunter. »Da wäre es schon interessant zu wissen, wer die bekommt.«
    »Über eine Milliarde«, bemerkte Rosa. »Das ist die Bank wert. Ich habe mit unseren Analysten gesprochen.«
    Nachdem sich Eschenbach von Rosa verabschiedet hatte, spazierte er den Limmatquai hinunter bis zum Hauptbahnhof. Auf dem Weg rief er

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