Rütlischwur
Banz.«
»Aber das ist nicht wirklich wahr, oder?«
»Und zwar zusammen mit einem Mann aus der EDV-Abteilung der UBS. Der ist auch getürmt. Vermutlich ihr Liebhaber. Mehr kann man dazu nicht sagen.«
»Ein Liebesnest auf den Bahamas.« Rosa fing leise zu kichern an.
»Sagte ich nicht Malediven?«
»Doch, schon. Aber Kommissario, gestohlene Bankdaten, die UBS und so weiter … Da sind die Bahamas einfach glaubwürdiger.«
»Wie recht Sie doch immer haben.«
»Und was die Akte angeht … Ich schaue, was ich tun kann.«
»Vielleicht in meinem Büro«, sagte Eschenbach. »Ich habe eine Kopie gemacht … Die haben mir doch die ganzen Personalakten angeschleppt.«
»Kommen Sie in die Bank?«
»Ich habe gedacht, vielleicht könnten Sie …«
»Schon gut«, sagte Rosa. »Ich melde mich gleich wieder.«
Eschenbach legte auf. Was sollte er dort? Sein Auftraggeber Jakob Banz war tot und die knappe Woche, die er bei Duprey verbracht hatte, nur eine Episode. Noch nicht einmal auf die interne Telefonliste hatte er es geschafft, weil diese erst Anfang des nächsten Monats neu gedruckt werden würde. Zumindest würde ihn niemand vermissen.
Er war ein Wochenkind.
Eine Eintagsfliege.
Zudem hatte er keine Lust zu erklären, weshalb er nach dem Tod von Banz gar nicht mehr in der Bank aufgetaucht war. Diese unsägliche Unfallgeschichte! Wenn er nur daran dachte, wurde ihm schwindlig: seine ersten Stunden im Kloster, als er nicht wusste, was mit ihm geschehen war … Momente zwischen Wachen und Träumen.
Es dauerte über eine halbe Stunde, bis Rosa endlich anrief.
»Kommissario? Ich habe das Personaldossier von Judith Bill nicht gefunden … Vermutlich hat es die Polizei mitgenommen. Aber wir haben ja noch ihre Bewerbungsunterlagen.«
»Sie waren in meinem Büro?«
»Wie Sie gesagt haben, und Bingo! Nicht unter B wie Bill – da hab ich zuerst geschaut. Aber unter den Bewerbungen.«
»In meinem Büro in der Banque Duprey?«
»Ja. Wo sonst? Wir haben doch gerade eben … Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«
Einen Moment war es still in der Leitung.
»Sind Sie noch da, Kommissario?«
»Ich habe zu heiß geduscht, Frau Mazzoleni. Und etwas Kopfschmerzen, das ist alles … Vermutlich komme ich in die Wechseljahre – das gibt es auch bei Männern.«
»Andropause.«
»Sehen Sie, da haben wir’s, das muss es sein. Drum treffen wir uns am besten unten beim Bellevue.«
»Im Café Odeon?«
»Okay.«
Kapitel 18
Freund der Familie und ein merkwürdiger Mensch
R osa war schon da, als Eschenbach im Odeon eintraf. Er entdeckte sie an einem der Tischchen auf dem Gehsteig, wie sie ihr hell gepudertes Gesicht der Abendsonne entgegenstreckte. Als er näher kam, sah er, dass sie Mund und Augen geschlossen hielt.
Der Kommissar betrachtete eine Weile die Frau, mit der er schon eine kleine Ewigkeit zusammenarbeitete. Sie hatte ein beinahe makelloses Antlitz, an dem das Alter in einem seltenen Fall großzügiger Sanftmut kaum etwas verändert hatte.
Ihr Mund bewegte sich: »Warum sagen Sie nichts?«
»Sie haben mich gehört?«
»Nein, gesehen.«
»Mit geschlossenen Augen?«
»Ich kann das«, sagte Rosa im Tonfall einer schnurrenden Katze. »Schon als Mädchen hab ich das gekonnt … Beim Küssen die Augen schließen und trotzdem sehen, mit wem ich es zu tun habe. Es ist ganz einfach.«
Eschenbach zwinkerte.
Rosas Lider blieben geschlossen, wie Fensterläden.
»Ich weiß nicht, ob ich Ihnen das schon einmal gesagt habe …« Eschenbach hielt inne.
»Dann sagen Sie’s.«
»Frau Mazzoleni … Sie sehen keinen Tag älter aus als am Tag, als ich Sie eingestellt habe.«
»Ist das wirklich wahr?«
»Kein bisschen gelogen.«
Ein kurzer Moment verstrich, dann passierte etwas völlig Unerwartetes; als hätte ihr Stuhl Sprungfedern, schoss Rosa hoch. Der Bistrotisch, an dem sie gesessen hatte, kippte, und das Glas mit dem Martini Bianco, noch halb voll, zersprang klirrend auf den Boden.
Die Leute um sie herum brachen ihr Gespräch mitten im Satz ab.
Eschenbach machte einen kleinen Schritt zurück, denn Rosa fiel ihm um den Hals und umarmte ihn mit der Kraft eines Tsunamis. Eschenbach, der das Gleichgewicht wiedergefunden hatte, hielt sie fest. Es war wie in einem Liebesfilm, kurz bevor der Abspann kommt.
»Als Banz plötzlich tot war und Sie weg …« Rosa flüsterte und stotterte.
Und wie so oft, wenn Rosas emotionaler Kern explodierte und ihre disziplinierte Fassade niederriss, schossen ihr die Tränen
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