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Rütlischwur

Rütlischwur

Titel: Rütlischwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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um, fixierte ihn mit den Augen, wie ein Dompteur bei einer Raubtiernummer. »Ich meine Judith … Judith Bill. Das kannst du dir doch auch denken, oder nicht?«
    »Ich glaube, das ist eher dein Stil … nicht meiner!«
    Claudios Blick wurde finster. »Ich les dir jetzt mal etwas vor«, brachte er zwischen den Zähnen hervor. »Nur damit du’s weißt, bevor du die Dame weiterhin deckst.« Er nahm mehrere zusammengefaltete Zettel aus seiner Jackentasche.
    »Pah!«, machte Eschenbach und wollte weitergehen. Als er sah, dass Claudio es ernst meinte, setzte er sich auf eine Treppenstufe. »Also, mein Lieber … Du hast etwas gefunden. Ich bin gespannt!«
    Claudio faltete die Papiere auseinander und legte los:
    »Sachbeschädigung, mehrere Teilnahmen an Demonstrationen … Brandstiftung, Widerstand gegen die Staatsgewalt!« Wie 1.-August-Raketen feuerte er die Worte in Richtung Eschenbach.
    »Zeig her!«
    »Körperverletzung kommt hinzu … und Diebstahl!«
    »Schon gut.«
    Jagmetti gab Eschenbach die zusammengehefteten Blätter. »Ich würd mich da ziemlich unwohl fühlen … in deiner Haut.«
    Schweigend ging Eschenbach die Seiten durch. Als er damit fertig war, gab er sie Jagmetti zurück. »Ist das alles?«
    »Mord und Totschlag fehlt noch, wenn du das meinst.«
    Der Kommissar erhob sich. »Das sind alles Jugendsünden.«
    »Ach ja, findest du?«
    »Hast du nicht die Jahreszahlen gesehen? Vierundneunzig … Alles während eines einzigen Jahres. Judith war damals noch ein Kind.«
    »Ich find’s trotzdem happig.«
    »Joschka Fischer ist mit so einem Palmarès Außenminister geworden.«
    Sie stiegen weiter die Treppe hinab.
    »Warum zeigst du mir das Zeug erst jetzt?«
    Jagmetti zögerte. »Mit dir sollte ich darüber überhaupt nicht sprechen. Das ist dir sicher auch klar, oder?«
    »Nein, das ist es nicht«, sagte der Kommissar. »Ich bin immer noch bei der Kripo … Dort angestellt, wie du. Meine Auszeit läuft noch bis Ende des Monats, dann komme ich zurück.«
    »Und deine Arbeit bei der Bank?«
    »Eine Gefälligkeit … Ein Ferienjob sozusagen.«
    Jagmetti räusperte sich. »Hösli sieht das aber anders.«
    »Ach, tatsächlich?« Eschenbach wurde wütend. »Hat er dir gesagt, dass du nicht mit mir sprechen sollst?«
    Claudio schwieg.
    Wie ein Ehepaar, das sich nichts mehr zu sagen hat, trotteten sie die Treppen hinunter. Auch entlang der Limmat herrschte eine beklemmende Stille zwischen den beiden. Einmal bat Eschenbach um Claudios Handy. Er versuchte seine Nachbarin zu erreichen, bei der er einen Wohnungsschlüssel hinterlegt hatte. Als sich niemand meldete, rief er Christian Pollack in dessen Anwaltskanzlei an und erklärte ihm die Lage. »Ich brauche dringend etwas Frisches zum Anziehen … und ein Bad.«
    Als beim Helmhaus der Vierer kam, stieg Eschenbach ein und fuhr in Richtung Bellevue davon.
    »Rück das Mädchen raus!«, war das Erste, was Christian zu ihm sagte, gestresst, mit dunklen Ringen unter den Augen, als sie sich im Gang der Kanzlei begegneten.
    »Ich hab keine Ahnung, wo sie ist.«
    Christian biss sich auf die Unterlippe. »Claudio hat gerade angerufen.«
    »Dann hat er dir bestimmt auch erzählt … dass ich angefahren wurde, in der Nacht, als die Sache mit Banz passierte.«
    Christian nickte.
    »Eben. Und als ich aufwachte, im Kloster, da war dieses Mädchen in meinem Zimmer. That’s it .«
    »Dann versteckt dieser Klosterbruder sie irgendwo …«
    »Bruder John.«
    »Genau. Claudio hat mir von dem erzählt. Er meint, du brauchst vielleicht einen Anwalt. Das ist eine heikle Angelegenheit, in die du da hineingeschlittert bist. Judith Bill wird polizeilich gesucht: Geh aufs Präsidium und mach eine Aussage.«
    »Hösli kann mich anrufen, wenn er will.«
    »Du machst dich strafbar, wenn du sie deckst.«
    »Das musst du mir nicht erzählen.«
    Sie standen im Flur und stritten weiter, als eine der hinteren Türen aufging und eine große blonde Frau erschien. Auf Stilettos stakste sie direkt auf Christian zu. Eschenbach schätzte sie auf Ende zwanzig. Sie trug einen dunklen Hosenanzug. Die Haare hatte sie nach hinten gekämmt und zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.
    Sie war Christians Typ.
    »Ich brauch endlich etwas zum Anziehen.« Eschenbach mus­terte die große Blonde, die ihn schräg ansah, bevor sie Christian etwas ins Ohr hauchte.
    »Zwei Minuten noch«, murmelte der Anwalt.
    Eschenbach verfolgte, wie die Frau auf dem Absatz eine elegante Drehung vollführte und sich

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