Rütlischwur
hüftschwingend in Richtung Sitzungszimmer wieder davonmachte.
»Meine Assistentin, Joëlle Dufournet«, sagte der Anwalt, während er ein Lederetui aus der Tasche zog und es Eschenbach hinstreckte. »Hier ist mein Wohnungsschlüssel. Anzüge hat’s genug. Und wenn du wieder gehst, gib ihn bitte beim Portier ab.«
Eschenbach steckte das Etui in die ausgebeulte Tasche seiner Trainingshose. Mit einem Blick zum Sitzungszimmer fragte er: »Schläfst du mit ihr?«
»Täglich«, sagte Christian. »Hier in der Kanzlei.«
»Carpe diem!«
Der Kommissar grinste. Und weil es ihm gelungen war, Jagmettis saublöde Frage von vorhin wie einen Schwarzpeter wieder loszuwerden, drehte er dieselbe Pirouette, die er zuvor bei Christians Assistentin gesehen hatte. Danach schritt er in Vorfreude auf ein heißes Bad zum Ausgang.
In Christian Pollacks Zweihundert-Quadratmeter-Wohnung im Seefeld gab es nichts, was einer Badewanne ähnlich sah. Es war ein Umstand, der Eschenbach bisher noch nie aufgefallen war. Was der Kommissar fand, war eine Erlebnisdusche, ausgekleidet mit dunkelgrünen Schieferplatten, glänzenden Knöpfen, einer Menge spiegelblank polierter Hähne und einem Panel, auf dem man verschiedene Programme wählen konnte.
Splitternackt stand der Kommissar vor dem Touchscreen und drückte sich durch die Einstellungen: Mangrove Forest, Mountain Rain, Over the Rainbow, Deluge, Fresh Morning, Hot Thunderstorm und so weiter. Wem die Einstellungen des Herstellers nicht zusagten, der konnte über den Menüpunkt Personalize mit Düsenwahl, Licht-, Wärme- und Druckeinstellungen sein eigenes Gewitter programmieren.
Eschenbach speicherte seine eigene Kreation unter dem Namen Surprise . Er war so fasziniert von den Möglichkeiten, dass er beinahe zu duschen vergaß. Christian hatte ebenfalls ein Programm entworfen.
F*** w/Joelle stand da.
Also doch. Nur die Pünktchen auf dem e fehlten.
Eschenbach drückte auf Start , stellte sich zwischen die Sprühknöpfe und sang Nessun dorma.
Nach zehn Minuten, rot wie eine Languste, änderte er das Programm auf Fresh Morning und suchte etwas später im begehbaren Kleiderschrank nach passenden Kleidern. Weil Christians Leben zwischen Fastenkuren und Völlerei hin und her pendelte, fand Eschenbach Anzüge in den verschiedensten Größen. Er hatte keine Mühe, etwas Passendes zu finden.
Den Bart, der nach den sieben Tagen die perfekte Länge hatte, ließ er stehen. Nicht nur um Zeit zu gewinnen, sondern auch weil er ihm gefiel. Er stand vor dem leicht getönten Spiegel, der vom Boden bis zur Decke reichte, und betrachtete sich. Abgesehen von einer kleinen Schramme an der Stirn und einer Reihe dunkler Flecken am Körper – Eschenbach konnte sich nicht erinnern, jemals so gut ausgesehen zu haben. Bestimmt lag es am gedämpften Licht im Ankleidezimmer. Oder war es der Spiegel? Eine weitere technische Errungenschaft des Anwalts? Bei Christian war alles möglich.
Nachdem er sich in der Küche einen Espresso gemacht hatte, nahm Eschenbach das Telefon, setzte sich auf den Eames Chair am Fenster und rief Rosa an.
» Dio mio , Kommissario! Das ist Dr. Pollacks Privatnummer. Wo sind Sie denn?«
»Ebendort.«
»Geht es Ihnen gut?«
»Besser.«
»Claudio hat mich angerufen und mir alles erzählt. Sie waren ja mit ihm auf der Beerdigung. Ich konnte da nicht hin, weil ich ins Notfallteam eingeteilt wurde. Eine Weisung der Direktion. Zur Beerdigung durfte nur, wer länger als zwei Jahre bei Duprey arbeitet.«
»Es gab Nessun dorma .«
»Wussten Sie, dass es das am meisten gesungene Lied ist unter der Dusche? Ich habe das kürzlich in der Zeitung gelesen.«
»Wenn Sie’s sagen, Frau Mazzoleni, wenn Sie’s sagen.«
Eine kurze Pause entstand.
»Also, was brauchen Sie?«
Eschenbach räusperte sich. »Habe ich denn gesagt, dass ich etwas brauche?«
»Sie rufen immer nur an, wenn Sie etwas brauchen.«
»Ach so … Die Personalakte von Judith Bill. Können Sie mir die beschaffen, so bis in einer halben Stunde?«
Rosa zögerte. »Die Polizei hat vieles mitgenommen. Ich bin mir fast sicher, dass die Akte von Frau Bill dabei war. Kein Wunder, man sagt …«
»Ich weiß, was man sagt, Frau Mazzoleni.«
»Ist sie wirklich bei Ihnen?«
»Zum Donnerwetter, nein.«
»Es ist halt nur so ein Gerücht.«
»Und drum machen Sie dem Gerücht jetzt ein Ende, Frau Mazzoleni. Erzählen Sie Gott und der Welt, dass Frau Bill auf die Malediven geflohen ist. Mit dem Privatvermögen von Herrn
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