Ruf der Daemmerung
das Steuer, Alan verzog sich mit Ainné auf den Rücksitz und Viola rang sich ein paar Bemerkungen der Sorte »Das ist so spannend!« ab.
Patrick warf ihr dabei ungläubige Blicke zu. Ganz überzeugend klang sie wohl nicht.
Schließlich überließ sie Ainné und Alan ihrem aufgeregten Gemurmel, das von Ainnés Seite aus hauptsächlich aus Stöhnen, von Alans aus Wortfetzen bestand, die wohl beruhigend wirken sollten. Viola wandte sich Patrick zu. »Hast du gefunden, was du gesucht hast?«, erkundigte sie sich. »Sorry, dass ich nicht mit ins Café gekommen bin, um dich zu treffen, aber ich dachte ... also Shawna wollte bestimmt lieber mit dir allein sein.« Viola lächelte verschämt. Tatsächlich hatte sie keinen Gedanken an Patrick und Shawna verschwendet, sie war viel zu sehr mit ihrer eigenen Liebesgeschichte beschäftigt.
Patrick erwiderte ihr Lächeln und schien verlegen. »Shawna ist süß«, bekannte er. »Ich ... ich mach mir bloß Sorgen, dass sie vielleicht ein bisschen jung ist ... Aber wenn sie ... also wenn sie nicht ihre albernen fünf Minuten hat, mit den Pferden und so, dann ... « Patrick wurde nun wirklich ein bisschen rot. Auf jeden Fall wechselte er rasch das Thema. »Miss O'Keefe konnte mir allerdings tatsächlich helfen«, erklärte er geschäftsmäßig. »Sie ist ja ein Fan von Childsongs und ich mache eine vergleichende Untersuchung zwischen einigen Liedern aus der irischen Folklore und denen der anderen Inseln. Es gibt da viele irische Einflüsse, auch aus vorchristlicher Zeit. Das ist alles sehr interessant.«
Viola riss das Thema zwar nicht vom Hocker, aber andererseits ... Patrick studierte Musik und Literatur. Vielleicht wusste er ja auch etwas zum Thema Kelpies. Wie beiläufig berichtete sie von ihrer Beschäftigung mit dem Childsong Silkie und Shawnas und ihren darauf folgenden Beitrag über die Kelpies.
»Ja, tatsächlich, das Kelpie geistert nur durch die zeitgenössische Musikszene!«, lachte Patrick. »Die Folkszene scheint es nicht inspiriert zu haben. Dabei sind die Legenden uralt. Es gibt auch zig Namen dafür. Auf der Isle of Man nennt man es Glashtyn, auf Orkney Nuggle, auf den Shetlandinseln Tangi, in Norwegen Nokken und auf Island Nykur. Kelpie ist eigentlich eher schottisch, das irische Wort ist Aughisky ...«
»So genau wollte ich es gar nicht wissen ...«, unterbrach ihn Viola. »Aber ... wenn es die ... äh ... Sage in so vielen Ländern gibt. Kann da nicht ... äh ... irgendwas dran sein?«
Patrick runzelte die Stirn. »Du meinst, ob es Wasserpferde wirklich gibt?«, erkundigte er sich. »Komm, Vio, mach dich nicht lächerlich. Da sind einfach nur mehrere Leute unabhängig voneinander auf die gleiche Idee gekommen: Stell wilde Ponys als möglicherweise gefährlich hin, und keiner wird sich trauen, sie zu stehlen ... Oft werden auch speziell Kinder vor Kelpies gewarnt. Wahrscheinlich zum eigenen Schutz. Sie klettern ja auch heute noch über die Zäune von Pferdeweiden und wollen reiten. Shawna holt so ziemlich jede Woche irgendwelche Blagen von Bills Ponys - wenn sie nicht selbst runterfallen und sich was brechen. Woraufhin die Eltern umgehend den Pferdebesitzer verklagen. Rechtlich wird dann Hausfriedensbruch gegen Tiergefahr abgewogen ...«
Die Gesetzgebung interessierte Viola weniger. »Aber man soll Kelpies doch zähmen können, indem man ihnen ein Halfter umlegt«, kam sie aufs Thema zurück. »Muss man das nicht eigentlich, um Pferde stehlen zu können?«
Patrick lachte. »Nein, man kann sie zum Beispiel wegtreiben. Ach ja, und es geht auch ohne Halfter: Wenn Kelpies in menschlicher Form auftauchen, fängt man sie mithilfe eines Brautschleiers. Dies nur so als Tipp, falls dir mal eins begegnet. Aber sei vorsichtig, sie sind äußerst besitzergreifend - und rachsüchtig. In einer schottischen Geschichte verliebt sich ein Kelpie in ein sterbliches Mädchen und sie geht auch zunächst mit ihm in den See und bekommt sein Kind. Aber dann möchte sie doch zurück zu den Menschen, und es endet damit, dass er das Kind umbringt und ihr dessen Kopf vor die Tür wirft. Also Vorsicht!«
Viola war einerseits entsetzt und abgestoßen, andererseits verarbeitete sie die Information, dass Kelpies und Menschen durchaus gelegentlich ein Paar wurden. Patrick bestätigte das, als sie nachfragte.
»Oh ja, und es geht auch mal glücklich aus. In einer anderen Geschichte verliebt sich ein kluges Mädchen in ein Kelpie und fragt einen Druiden um Rat. Der schafft es, den Kelpie-
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