Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ruf der Daemmerung

Titel: Ruf der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Riana O Donnell
Vom Netzwerk:
Der Fänger im Roggen, Physik- und Biologiestunden würden ihm dagegen fremd sein. Aber die Schule war einfach das Naheliegendste, um ihn in die Welt der Menschen einzuführen!
    »Zulassen werden sie dich bestimmt«, erklärte Viola. »Soweit ich weiß, besteht in Irland Schulpflicht - wobei es natürlich sein kann, dass du dafür schon ein bisschen zu alt bist ...« Sie überlegte. »Andererseits haben ein paar von den Neandertalern in meiner Klasse bestimmt auch schon ihre Ehrenrunden gedreht. Hank und Mike sind sicher sechzehn oder siebzehn. Und wir müssen dich sowieso als Austauschschüler ausgeben. Kannst du ... kannst du eigentlich lesen?« Die Frage erschien ihr einerseits absurd - bisher hatte sie nie daran gedacht, dass jemand in Ahis Alter möglicherweise nicht lesen gelernt hatte. Aber andererseits ... Ahi war nie in eine Schule gegangen und im See hatte es nicht ausgesehen, als schrieben die Kelpies irgendetwas auf.
    »Euer Spiel, die Melodie der Worte zu Zeichen zu formen?«, fragte Ahi munter. Zumindest war er nicht beleidigt. »Nein, das habe ich bisher nicht gelernt. Aber du kannst es mir rasch zeigen, es scheint nicht sehr schwer zu sein.«
    Während Viola fast in Panik verfiel - sie erinnerte sich nicht mehr genau daran, wie lange sie als Kind gebraucht hatte, um Lesen und Schreiben zu lernen, aber es hatte sicher mehrere Wochen gedauert -, intensivierte er den Griff um ihre Hand und zog sie sanft an die Lippen. Die Berührung ließ Viola erglühen, sie vergaß ihre Bedenken und verlor sich in der Einheit mit Ahis freundlicher Seele. Beide sahen einander mit strahlenden Augen an, als der flüchtige Moment verstrichen war - und Ahi zeigte lächelnd auf einen Wegweiser.
    »Glendalough, sechs Meilen«, las er langsam. »Richtig?«
    Viola konnte es kaum glauben. »Du hast das ... jetzt von mir gelernt?«, fragte sie verblüfft.
    Ahi nickte, ein bisschen verunsichert. »Sollte ich nicht? Wolltest du es nicht teilen? Es war ganz offen da, aber ich ... ich hätte fragen müssen ...« Er biss auf seiner Lippe herum und sah rührend menschlich aus.
    Viola lachte. »Es ist wirklich kein Geheimnis. Ich wunderte mich nur ... Oh Mann, wenn du demnächst schlechte Noten bekommst, wirst du mein löchriges Gedächtnis dafür verantwortlich machen! Aber das vereinfacht natürlich alles, du kannst gern den ganzen Stoff der letzten paar Jahre von mir haben.« Sie kicherte. »Als ob man Notizbücher austauscht! Ich fasse es nicht!«
    Andererseits wusste sie selbst inzwischen auch, wie Gras schmeckt, wie man delfingleich schwamm, und sogar ungefähr, wie man die Wasserharfe zupfte, die Ahi spielte. Zu Letzterem fehlte ihr zwar sicher die Fingerfertigkeit, aber das Prinzip der Tonfolgen war ihr klar. Eine sonderbare, aber sehr angenehme Art zu lernen!
    »Wir werden dir andere Kleidung kaufen müssen ...«, kam sie dann zu praktischen Überlegungen zurück. Ahi trug wie immer das glänzende, fließende Seidengespinst - Viola hatte seinen Gedanken entnommen, dass die Amhralough es aus dem Haar ihrer beagnama webten -, das ihn offenbar selbst an diesem kühlen Herbstabend warm hielt. Aber barfuß und in diesem graublauen Gewand konnte er sich um diese Jahreszeit auf keinen Fall unter Menschen begeben. »Was hast du für eine Kleidergröße?«
    Noch während sie sprach, wurde ihr bewusst, wie absurd ihm die Frage erscheinen musste. Sie lachte. »Ich werde dich morgen einfach ausmessen«, meinte sie. »Und dann kaufe ich dir Jeans und ein paar Pullis ... Puh, eine Jacke wirst du auch brauchen ... hoffentlich habe ich noch so viel Geld!«
    »Geld ist dir wichtig, nicht wahr?«, fragte Ahi interessiert.
    Viola fühlte sich brüskiert. »Also so wichtig auch wieder nicht ...«, bemerkte sie beleidigt. »Wenn du meinst, ich wäre geizig oder so ...«
    Ahi blickte sie verwirrt an. In seinen schönen, jetzt fast nebelgrauen Augen stand pures Nichtverstehen. »Was habe ich gemacht?«, fragte er. »Womit habe ich dich verletzt?« Er hob vorsichtig die Hand, um ihr Gesicht zu streicheln.
    Viola schalt sich für ihre allzu menschlichen Gefühle. Natürlich, für Ahi hatte Geld nicht die geringste Bedeutung! Aber sie musste ihm wieder ihre Seele öffnen, um ihm zumindest die Grundbegriffe des Finanzwesens zu erklären. Zum Glück war das einfach, liebkoste seine Hand doch bereits ihre Wange und die Berührung ebnete den Weg. Aber danach merkte sie, wie müde sie wurde - und Ahi sah fast noch erschöpfter aus. Seine Augen schienen

Weitere Kostenlose Bücher