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Ruf der Daemmerung

Titel: Ruf der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Riana O Donnell
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es erlauben. Am meisten interessiert mich Musik und Ihre Sprache. Shakespeare war ein großer Dichter.«
    Ahi fand das tatsächlich. Während Viola elisabethanischen Dramen wenig abgewinnen konnte, begeisterte er sich geradezu für Shakespeares Sprache. Die Inhalte gingen ihm dagegen nicht immer ein. Deutlich zu viele Disharmonien in den Familien von Macbeth und Co.
    Mrs Murphy setzte ein angesäuertes Gesicht auf. Sie war Irin, Shakespeare war Engländer - und die Truppen Elisabeths der Ersten waren nicht gerade zimperlich mit ihren irischen Untertanen umgegangen. Zudem unterrichtete Mrs Murphy Gälisch. Englisch betrachtete sie nicht als ihre Sprache.
    »Er meint Yeats«, behauptete Shawna und versuchte, die Missstimmung wegzulächeln. »Und er brennt darauf, gälische Dichter kennenzulernen. Aber dazu muss er die Sprache natürlich erst mal lernen. Brauchen Sie noch mehr für die Anmeldung als seinen Pass?«
    »Eigentlich eine Einwilligung deiner Eltern. Und gewöhnlich bekommen wir auch Bescheid von der Schule, die uns die Austauschschüler schickt ...« Mrs Murphy wandte sich wieder an Ahi. Sie schien etwas verunsichert.
    »Ich glaube, Ali hat die Mittelschule schon abgeschlossen ...«, versuchte sich Viola in der Vermittlung. Das hätte Ahi auch selbst einfallen können! Aber er schwieg nur und musterte Mrs Murphy neugierig.
    Dafür erwies sich allerdings Shawna als unerwartet geschickte Schwindlerin. »Ich bin überzeugt, die Schule hat einen Bescheid geschickt. Und die Einwilligung von Mrs Nokken müsste auch dabei sein. Ich hab letzte Woche noch am Telefon mit ihr gesprochen, wegen der Unterkunft für Ali ...« Die Mädchen hatten vereinbart, eventuelle Post für den neuen Schüler an Shawnas Adresse schicken zu lassen. Ihre Eltern hatten ein Postfach im Dorf und Shawna nahm ihre Post gewöhnlich nach der Schule mit hinauf. Zudem war nicht zu erwarten, dass Shawnas Eltern versehentlich irgendetwas aufklärten. Sie erwiesen sich als gänzlich desinteressiert an der Schulkarriere ihrer Tochter, hatten seit Jahren keinen Elternsprechtag mehr besucht und hätten vermutlich keinen ihrer Lehrer auch nur erkannt.
    »Vielleicht ist ja was verloren gegangen ... Aber Sie können mir das Formular noch mal mitgeben. Wir faxen es dann einfach an die Nokkens und die senden es per Post zurück.«
    Viola biss sich auf die Lippen. Das war gewagt, die Schule besaß schließlich selbst ein Fax. Es bestand im Prinzip kein Grund, auf Shawnas Gerät zurückzugreifen. Aber Mrs Murphy war eine einfache Seele - und hielt offenbar auch noch Jahre nach Einführung des Computers Faxgeräte, Drucker und Scanner für Teufelszeug. Insofern dankte sie Shawna herzlich für das Angebot, ihr die komplizierte Anwahl des fernen Dänemarks abzunehmen, händigte ihr ein Formular aus und beschriftete ein paar andere für Ahi.
    »Dann also herzlich willkommen, Alistair!«, sagte sie schließlich und drückte ihm auch noch einen Einkaufszettel für Schulkleidung in die Hand. »Ich freue mich schon, dich in meinem Unterricht zu haben. Wir wollen doch mal sehen, ob wir in Irland keinen Barden finden, der dich die Poesie des Master Shakespeare vergessen lässt!«
    Viola und Shawna atmeten auf. Bevor Ahi noch etwas erwidern konnte, zog ihn Shawna aus dem Büro. Das zumindest war geschafft. Fehlten noch Englisch, Physik, Geschichte und - Hurling.
 

 
    Ahi überstand den ersten Vormittag an Violas Seite ohne größere Probleme. Wie sie selbst an ihrem ersten Tag wurde auch er von den Lehrern freundlich aufgenommen. Sie stellten jeweils ein paar Fragen zu seiner Familie und seinem Herkunftsland, die er zur allgemeinen Zufriedenheit beantwortete. Eine große Familie, die gemeinsam musizierte - und ein Land wie aus dem Reiseführer. Ahi hatte das Buch anscheinend auswendig gelernt, und wenn er auch von sich aus nichts erzählte und sich vor allem keine Geschichten ausdachte, so antwortete er doch völlig korrekt. Sein manchmal altertümlich wirkendes Englisch fanden die Lehrer offensichtlich entzückend - zumindest veranlasste es niemanden zu Argwohn. Auch unter den Mitgliedern des Lehrkörpers hatte keiner Skandinavien je bereist. Alistairs angebliches Heimatland kannten sie nur aus Shakespeares Hamlet, und gegen das darin gesprochene Englisch ging Ahis Ausdrucksweise geradezu als Slang durch.
    In der Mittagspause gesellte Ahi sich selbstverständlich zu den Mädchen - was Shawna nicht aufzufallen schien und Violas übrige Mitschülerinnen entzückte.

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