Ruf der Dunkelheit
Flugzeit erheblich. Ich hatte meine Rückkehr bei den anderen nicht angekündigt. Deshalb suchte ich die letzte Stunde, die mir noch blieb, nach einer Lösung, wie ich Val schonend mein Versagen beibringen konnte. Als der Flieger endlich in South Carolina gelandet war, verlor ich keine Zeit und machte mich auf den Weg zu unserem Wagen, den wir vor ein paar Tagen auf dem Langzeitparkplatz abgestellt hatten. Max´ Geruch war noch überdeutlich präsent. Er vermischte sich mit dem Leder der Sitze und fast wurde mir übel. Seufzend ließ ich den Motor an und fuhr vom Flughafengelände, Richtung nirgendwo. Wahrscheinlich warteten Olivia und Val schon sehnsüchtig auf ein Lebenszeichen.
Der Wald, welcher die Straße säumte, wurde immer dichter und auch die letzten Häuser waren schon seit geraumer Zeit im Rückspiegel verschwunden, als ich auf den unbefestigten Weg bog, der mich direkt zu dem Haus am See bringen würde. Unwillkürlich krampften sich meine Finger um das Lenkrad und meine Knöchel traten weiß hervor. Mein Herz trommelte in einem nervösen Rhythmus und die Zunge klebte an meinem trockenen Gaumen.
Als das Unterholz sich lichtete, sah ich die spiegelnde Wasseroberfläche, die ein tanzendes Muster auf die Rinde der umliegenden Bäume zauberte. Langsam rollte der Wagen die letzten Meter, fast bis vor die hölzerne Veranda, ehe ich den surrenden Motor mit einer Drehung des Schlüssels abwürgte.
Es folgte ein Moment der Stille, in dem ich bewegungslos in meiner Position ausharrte. Doch er wurde jäh unterbrochen und ich zuckte zusammen, als ich sah, wie sich die Haustüre öffnete und Valentina auf der Schwelle erschien. Ich musste mich zu jeder einzelnen Bewegung zwingen, als ich die Autotür öffnete und langsam ausstieg. Zögernd trat ich vor die Motorhaube und musste mit ansehen, wie sich Val, die zurückhaltend freudig lächelte, erst suchend, dann leicht panisch umsah und ihr verzweifelter Blick auf mich fiel. Ihre Stimme war nur ein raues, angstvolles Flüstern, als sie es laut aussprach: „Wo ist Max?!“
Ich atmete geräuschvoll ein und wand mich unter ihren Blicken, kaum fähig, etwas zu erwidern. Valentinas Augen verengten sich, als sie mit festem Schritt auf mich zu kam. „Tamara! Wo ist Max?!“ Ihre Stimme wurde schrill und dröhnte in meinen Ohren, während mein Herz fast zwei Takte lang aussetzte.
„Ich … er …“, stammelte ich und biss mir auf die Unterlippe. Meine Augen brannten und meine Kehle schnürte sich zu.
„Verdammt noch mal! Ich hab dich was gefragt – also antworte endlich!“ Jetzt stand sie direkt vor mir, die Hände zitternd zu Fäusten geballt, die Augen feucht glänzend und schrie mich mit bebender Stimme an.
Ich duckte mich unter ihrem Blick, der so verzweifelt, wie gleichermaßen wütend war. Wut, die in diesem Moment allein mir galt, weil ich einfach nicht aussprechen konnte, was geschehen war. „Er … Max ist … zurückgeblieben.“ Endlich purzelten die Worte tonlos aus mir heraus und Valentinas Miene spiegelte Fassungslosigkeit wider. „Was ... was soll das heißen? Wie – zurückgeblieben? Was bedeutet das?“, sprudelte es ungläubig und panisch aus ihr heraus.
Ich griff in den Ausschnitt meines Oberteils und angelte nach der Phiole mit dem Heilmittel, die an einer Kette um meinen Hals hing. Ich hatte das Ding bewacht, als wäre es der kostbarste Schatz, auf der ganzen Welt. Val musterte das kleine, bläulich schimmernde Fläschchen, das ich zwischen meinen Fingern hielt. „Er blieb als Pfand … für das hier.“ Meine Stimme war nicht mehr, als ein raues Flüstern und ich sah zögernd zu Max´ Gefährtin auf. Ihre Nasenflügel bebten, während ihr Blick hektisch zwischen mir und dem Mittel hin und her flog, das Julian heilen sollte. Ich konnte sehen, wie sich eine Träne aus ihrem Augenwinkel stahl und an ihrer Wange herunterlief, während sich ihre Lippen lautlos bewegten.
Erst jetzt bemerkte ich Olivia, die sich uns langsam näherte. „Du hast ein Heilmittel bekommen?“ Ungläubig blickte sie auf die Kette an meinem Hals und ihre Augen wurden schmal. „Dafür musstet ihr sicherlich einen hohen Preis zahlen. Normalerweise geben wir Hexen unsere Mixturen nicht so einfach aus der Hand.“
Ich zuckte zusammen, als Valentina zu Olivia sprach, denn ihre Stimme klang so dünn und bröckelig, dass ich einen eiskalten Stich in meinem Herzen verspürte. „Sie … sie haben Max.“ Mehr brachte sie nicht heraus und wieder liefen einzelne
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