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Ruf der Dunkelheit

Ruf der Dunkelheit

Titel: Ruf der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Rauch
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Tränen über ihrer von Sorge gezeichnetes Gesicht. Olivias Brauen schnellten nach oben. „Was …?! Wieso? Ist er …?“ Ihre Stimme überschlug sich vor Entsetzten. Ich schüttelte stumm den Kopf. „Er ist bei einem Vampir namens Ethan … in Boston. Er sagte, es gäbe da jemanden, aus Max´ Vergangenheit, der darauf bestünde. Ich wollte das Heilmittel nicht mehr – doch da war es schon zu spät … und … sie haben ihn mitgenommen! Valentina – es tut mir so leid! Ich konnte nichts tun, sie hatten die ganze Zeit eine tödliche Waffe auf ihn gerichtet, Gift … angeblich wäre er innerhalb von Sekunden tot umgefallen …“ Ich schluchzte laut auf und suchte Val´s Blick, doch ihre Augen blieben seltsam ausdruckslos, als sie mich endlich ansah.
    „Ich gebe dir keine Schuld“, sagte sie nur, dann drehte sie sich um und ging Richtung Haus, ohne sich umzudrehen. „Valentina – bitte!“, rief ich ihr verzweifelt hinterher, „Wir holen ihn zurück – das verspreche ich dir!“ Doch sie setzte ihren Weg ungerührt fort. All die Verzweiflung, über diese verdammte Ohnmacht sprudelte wieder an die Oberfläche und lähmte mich. Ich sank auf den dichten Blätterteppich des Waldbodens und grub stöhnend meine Finger in die weiche Erde; mein Kiefer zuckte, als ich knirschend die Zähne zusammenbiss. 
    „Tamara!“ Olivias Stimme durchdrang meine sich überschlagenden Gedanken nur mit Mühe, doch sie umfasste energisch mein Gesicht, und zwang mich, sie anzusehen. „Tamara! Wir kümmern uns später darum! Lass uns zu Julian gehen und sehen, ob ihm das Mittel hilft! Ihr habt so viel auf euch genommen, um es zu bekommen, dreh jetzt bitte nicht durch – Max und Julian zuliebe und“, sie sah besorgt auf die Terrasse auf der Valentina stand und ins Nichts starrte, „für sie.“
    Es kostete viel Kraft, doch Olivias Worte zeigten Wirkung. Ich dachte an Julian, der dort oben mit dem Tod rang und daran, was Max dafür aufgegeben hatte. Angestrengt durchbrach ich den Schleier der Emotionen, der drohte, mir den Verstand zu rauben, sah zu der Hexe auf und nickte. Ich stemmte mich hoch und griff nach dem Fläschchen, hielt es fest umklammert, während wir eilig zum Haus liefen, die Treppe hinauf stiegen und Julians Zimmer betraten. 
    Zwar hatte ich seinen Zustand in meiner letzten Vision vor Augen gehabt, trotzdem erschrak ich, als ich der Realität ins Auge sah. Langsam ging ich vor seinem Bett in die Knie, fuhr ihm zärtlich über die eingefallene Wange und bekam Angst, ich könnte seine papierdünne Haut mit meinen Fingern verletzen. Keuchend sog sein Körper Luft in die Lungen, während sein Herz angestrengt und schwerfällig dickflüssiges Blut durch die Adern presste. „Ich habe dir etwas mitgebracht“, flüsterte ich und spürte, wie etwas warmes, Feuchtes über meine Wangen lief, als ich ihm einen Kuss auf die Stirn hauchte und den Schraubverschluss der Phiole öffnete. Olivia trat von der anderen Seite des Bettes heran und öffnete seinen Mund. Ich sah hilfesuchend zu ihr auf und sie bedeutete mir mit einem Nicken, dass ich ihm die Flüssigkeit einflößen sollte. Mein Herz schlug so schmerzhaft gegen meine Rippen, dass ich fast glaubte, mein Brustkorb würde explodieren, als ich das zierliche gläserne Gefäß an Julians Unterlippe presste und die schimmernde Flüssigkeit in seinen Mund entleerte. Olivia sank ebenfalls auf die Knie und ergriff meine Hand. Gemeinsam warteten wir darauf, was passieren würde.

Kapitel 7: Julian - Freud und Leid
    Das Licht war grell. Viel zu grell. Es zwang mich dazu, meine Augen wieder zu schließen und zurück in die Dunkelheit zu sinken. Sofort umfing mich die Kälte, wie eine eiserne Umarmung, der man nicht entrinnen konnte. Ich war schon lange nicht mehr in der Lage, zu unterscheiden, was real war und was nicht. Die schrecklichen Träume, die mich ständig verfolgten, fühlten sich so echt an. Oder waren es gar keine Träume? War das die Realität?
    Oder war der Raum in dem ich mich immer wieder fand real?
    Was war mit den beruhigenden Stimmen, den warmen Händen, die mich immer wieder umfingen, wenn ich aufschreckte und die verschwommenen Erinnerungen an Gesichter – die immer wieder über mir erschienen?
    Ich wusste es nicht. Die kalte Finsternis zog mich tiefer, zerrte an mir – ich sollte endlich loslassen. Ich sollte nicht jedes Mal in den warmen Raum zurückkehren und mit jedem Mal fiel es mir schwerer, der Dunkelheit kurz zu entrinnen. Zu schwach war mein Geist,

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